Dore Jacobs: Bewegungspädagogin und Menschenbildnerin

 

Im Gegensatz zu vielen anderen Systemen und Konzepten, die sich um eine Bewegungserziehung des Menschen bemühen (vgl. Medau, Feudel, Kiphard, Feldenkrais, F.M. Alexander), ist die Arbeit der Dore Jacobs sowohl in der allgemeinpädagogischen als auch in der bewegungswissenschaftlichen Fachliteratur eher unterrepräsentiert.

 

Dies mag zum einen daran liegen, dass es Dore Jacobs weniger um eine literarische Selbstdarstellung ihrer Ideen ging, als um die Erprobung dieser Ideen am Menschen. Ihr Verdienst liegt damit eindeutig in der Praxis.

 

Andererseits erscheinen ihre Ausführungen, legt man neuere wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Neurophysiologie und -biologie oder der Systemtheorie zugrunde, fast revolutionär. Dies veran­lasste einen Sportwissenschaftler Dore Jacobs als 'Seherin' zu bezeichnen.

 

Obwohl diese Charakterisierung auf der einen Seite sicher zutrifft, spricht sie doch selbst davon, in Hellerau bei Dalcroze - noch unbewusst - ein Bild menschlicher Bewegung in sich aufgenommen zu haben, so ist sie auf der anderen Seite immer darum bemüht, ihre Ausführungen auf den sicheren Boden wissenschaftlicher Erkenntnisse zu stellen. Und auch hier bleibt sie ihrem hohen Anspruch treu, "die mannigfachen Verbindungsfäden zwischen Theorie und Praxis" aufzuzeigen und "dadurch wissenschaftliche Einsichten lebendig und für das praktische Handeln fruchtbar zu machen" (Jacobs 1962, 18).

 

Und wieder verliert sie den Menschen nicht aus den Augen, d.h. nie ist der Mensch nur passiver Gegenstand ihres Forschungsinteresses. Immer ist der Mensch selbst Experimentierender, also Mitarbeiter.

 

In welch hohem Maße Dore Jacobs als Wissenschaftlerin und Menschenbildnerin Theorie und Praxis, Denken und Tun vereinigte, zeigen nicht nur ihre schriftlichen äußerungen, die auf einer breiten Basis eines sicheren Wissens aus der Philosophie (Kant, Goethe Schiller), der Anatomie und Physiologie beruhen. Sie setzt sich darüber hinaus mit den in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts gängigen Gymnastiksystemen (Bode, Mensendieck, Dalcroze, Laban) kritisch auseinander und findet eine teilweise Entsprechung ihrer Gedanken bei Elsa Gindler und Heinrich Jacoby.