Die Preisträgerinnen und Preisträger der Jahre 1992 - 1996
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Erstmals konnte der 1992 ausgeschriebene "OUTWARD
BOUND-PREIS" 1993 anläßlich des zehnjährigen Bestehens
des Projektes 'THOR HEYERDAHL' im Rahmen einer kleinen Feier an Bord des
Dreimast-Toppsegelschoners in Kiel überreicht werden :
- Segelschiff 'Thor Heyerdahl' e.V., Kiel
1994 wurde der Preis auf einer Fachtagung zur Erlebnispädagogik,
die vom "Bundesverband Erlebnispädagogik e.V." in Köln
initiiert worden war, zum zweiten Male vergeben.
Preisträger waren:
- Theodor-Rothschildhaus, Esslingen
- J. Bierwirth, Bundespost, Telekom, Göttingen
- R. Levin, Wennigsen / FH Hildesheim-Holzminden
- U. Neuber, F. Reinke, Lessing Gymnasium, Braunschweig, in Zusammenarbeit mit der Sonderschule G, Lübeck
- K. Bodendieck, Neustädter Grund- u. Hauptschule, Celle
- B. Sdun, Wolfgang-Borchert-Schule, Winsen
- "Peace-Boat", Jugendzentrum Waldau / Geert Platner, Kassel
- VEOS - Outdoor-Sportarten e.V., Frankfurt a.M.
Die Resonanz auf die dritte Ausschreibung 1994 war ebenfalls recht beachtlich.
In einer umfangreichen Dokumentation konnten die Leistungen der Preisträger
eindrucksvoll verdeutlicht werden.
Die Preisverleihung erfolgte am 3. Dezember 1994 an Bord des Dreimasters
'Fridtjof Nansen' (Wolgast) in Wilhelmshaven, wo gleichzeitig eine neue
Crew von Schülerinnen und Schülern elfter Klassen zu mehrmonatiger
Fahrt über den Ozean im Rahmen des Projektes "High Seas - High
School" (Initiator und Koordinator: Hermann Lietz-Schule, Spiekeroog)
verabschiedet wurden.
Die Preisträger waren:
- Hermann Lietz-Schule Spiekeroog, Nordseeinsel Spiekeroog
-
- Martinshaus Kleintobel, Berg
- Kinderzentrum St. Vincent, Regensburg
- Berufsausbildungswerk Mittelfranken, Schwaig
Anerkennung gebührte darüber hinaus zwei weiteren Projekten,
- Ernst-Penzoldt-Hauptschule, Aktion "Freizeit mit Köpfchen",
Spardorf,
und
- Stadtjugendpflege Donaueschingen, Donaueschingen,
die zwar durch ihre praktische Arbeit und in ihrer Region wichtige erlebnispädagogische
Akzente setzten, aber die Ausschreibungskriterien des "OUTWARD BOUND-PREISES"
nicht in allen Punkten erfüllten.
Zum vierten Mal wurde der Preis dann 1995 ausgeschrieben und 1996 an folgende
beide Projekte vergeben:
- Schule für Erziehungshilfe (SfE) - Klasse 8 - in Köln,
Daniela Jung und Markus Scheffer
- "Das Weidenherz-Dojo im kleinen Moor e.V." - Verein für
Aikido und Naturerleben - in Raddestorf, Rolf Patermann
Auch diesmal wurde weiteren Projekten Anerkennung ausgesprochen, die zwar
durch ihre praktische Arbeit und in ihrer Region wichtige erlebnispädagogische
Akzente setzten, aber die Ausschreibungskriterien des "OUTWARD BOUND-PREISES"
nicht in allen Punkten erfüllten:
- Raphaelshaus - Jugendzentrum, Dormagen, Direktor H. Scholten und
D. Mastalerz
Das "Raphaelshaus" bewarb sich mit der Dokumentation der
sogenannten "Ardennen-Trophy" an der Outward Bound-Ausschreibung
1995. Dabei ging es den Veranstaltern darum, die Team- und Kooperationsfähigkeit
der gegeneinander in natursportlichen Disziplinen (Wandern, Kanufahren,
etc.) antretenden Gruppen zu fördern. Das Wort "Trophy",
das bewußt einer Zigarettenwerbung entnommen wurde, sollte vor
allem den teilnehmenden Jugendlichen verdeutlichen, daß Kameradschaftlichkeit,
die Erfahrung und das "Sich-Erproben" an ungewöhnlichen
Herausforderungen nicht zwangsläufig - und so vermittelt die
trügerische Werbung - mit dem Genuß von Drogen gekoppelt
sein muß.
Insgesamt hielt sich dieses abenteuerliche Projekt und seine Durchführung
ungewöhnlich genau an die Richtlinien der Outward Bound-Ausschreibung
- und das ist sehr positiv zu vermerken. Entscheidend aber dafür,
daß die Ardennen-Trophy nicht zu den Preisträgern gehörte,
ist allein der Umstand, daß der Mindestzeitraum von sechs Tagen
an einem Stück nicht abgedeckt werden konnte. Ferner hielt die
Jury den leistungsorientierten Wettbewerbscharakter, wenn auch für
diese Jugendhilfe-Einrichtung durchaus plausibel, so doch grundsätzlich
für erlebnispädagogisch problematisch.
- Waldhaus - Sozialpädagogische Einrichtung der Jugendhilfe,
Hildrizhausen, R. Berner
Das "Waldhaus" beteiligte sich mit einer Ausarbeitung über
ein Erlebniswochenende, das in Form einer dreitägigen Kanufahrt
auf der Jagst durchgeführt wurde, am "OUTWARD BOUND - PREIS
1995". Ziel der Unternehmung war es, die sogenannten protektiven
Faktoren der Teilnehmer zu stärken, also beispielsweise das Selbstwertgefühl,
die Selbstachtung und die Konflikt- und Entscheidungsfähigkeit.
Die teilnehmenden Jugendlichen sollten im Rahmen der Suchtprävention
lernen, sich selbst zu erleben. Die Erfahrung der eigenen Grenzen
und die Konfrontation mit ungewohnten Herausforderungen standen im
Mittelpunkt dieser erlebnispädagogischen Kanufahrt.
Doch auch dieses Projekt erfüllte - trotz seines eindeutigen
Erfahrungscharakters und seiner daraus erwachsenden Relevanz für
die Erlebnispädagogik - nicht das Kriterium des Mindestzeitraumes
von sechs Tagen. Ferner ist für die Jury nicht klar zu erkennen
gewesen, inwiefern den Teilnehmern ausreichend Raum gegeben wurde,
eigenverantwortlich, eigeninitiativ und mitbestimmend zu handeln.
- Hermann Staudinger-Gymnasium, Erlenbach, Dr. Hans Jürgen Fahn
Schon seit 1986 betreibt das Hermann-Staudinger-Gymnasium aktive Suchtprävention.
Der Versuch, diese präventive Arbeit um eine erlebnispädagogische
Unternehmung zu ergänzen, ist Grundlage des eingereichten Beitrags
für den "OUTWARD BOUND - PREIS 1995". Die erlebnispädagogische
Akzentuierung fand im Rahmen einer Bergwanderung im Allgäu bzw.
einer Kanutour auf der Lahn statt. Zudem nahmen die Gruppen an einem
eintägigen Outward Bound-Kurs teil, der in Form eines vielseitigen
Geschicklichkeits-Parcours die Gruppendynamik verbessern sollte. Die
suchtpräventiven Projekte wurden bzw. werden von ehemaligen Drogenabhängigen
begleitet, denen aufgrund ihrer Erfahrung entscheidende Bedeutung
zukommt.
Leider entsprach der zeitliche Umfang der erebnispädagogischen
Aktivitäten nicht den Ausschreibungsanforderungen. Ferner konnte
nicht verdeutlicht werden, inwieweit ein Engagement der jugendlichen
Teilnehmer ermöglicht wurde bzw. erforderlich war.
Auch die Leistungen, die für den "OUTWARD BOUND-PREIS 1995"
erbracht wurden, konnten zusammenfassend dokumentiert werden, um sie
so einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Der "OUTWARD BOUND-PREIS 1996", der im Frühjahr 1997
zum fünften Male vergeben wurde, ging gleichrangig an folgende
Institutionen:
- "Projekt Sail Training - Erlebnispädagogik"
an der Fachhochschule Hildesheim / Holzminden,
Prof. Michael Schwindt:
Integrative Erlebnispädagogik - Erfahrungen seit 1982.
- Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung des Kinderzentrums St. Vincent
in Zusammenarbeit mit dem Institut Kooperative Abenteuer-Projekte (KAP), Peter Alberter:
In 180 Tagen von Agadir (Marokko) zurück nach Regensburg - Ein Reiseprojekt mit dem Mountainbike.
- Waldhaus - Sozialpädagogische Einrichtungen der Jugendhilfe (Hildrizhausen):
Kletter-Event in Orpierre (Südfrankreich).
Die unterschiedliche Art der geleisteten Arbeit, die differenzierten
Methoden des Vorgehens und die je eigene Profilierung der sozialpädagogischen
Maßnahmen ließen es ratsam erscheinen, den Preis diesmal
nicht in sich abzustufen, sondern die drei ausgewählten Projekte
gemeinsam als beispielhaft und wegweisend zu charakterisieren.
Folgende Aspekte konnten als herausragend hervorgehoben werden:
- Zu 1.: "Projekt Sail Training - Erlebnispädagogik"
Aus den zahlreichen kunst- und erlebnispädagogischen Initiativen
von Prof. Michael Schwindt und seinen Studentinnen und Studenten des
Fachbereiches Sozialpädagogik der Fachhochschule Hildesheim / Holzminden
entwickelte sich 1982 das "Projekt Sail Training". Das Projekt,
das das Segelschiff als geeignetes und zentral bedeutsames erlebnispädagogisches
Medium betrachtet, bietet seit vielen Jahren vorbereitende und theoriegestützte
Seminare (u.a. zur Erstellung handlungsleitender Konzepte) an und führt
in vielfältiger Weise in die Praxis ein (Organisation, Koordination,
Auswertung, Projektberichte etc.). Über wassersportliche Aktivitäten
hinaus erstrecken sich die Konzeptionsgestaltungen und konkreten Planungen
auch auf unterschiedliche Formen der Erlebnispädagogik an Land.
Die Studierenden sollen durch ihre unmittelbare Einbeziehung in den
Organisations- und Durchführungsprozeß erlebnispädagogischer
Aktivitäten Fertigkeiten erwerben können, die sie wiederum
dazu befähigen, die Erlebnispädagogik im späteren Beruf
- theoretisch und praktisch - sinnstiftend zu vertreten, anzuwenden
und zu fördern. In Anlehnung an K. Hahns Maßnahmenkatalog
zur Kompensation gesellschaftlicher und persönlicher "Verfallserscheinungen"
(Verfall der menschlichen Anteilnahme, der Sorgfalt, der Initiative
und der körperlichen Leistungsfähigkeit) betont das "Projekt
Sail Training" die unbedingte, konkurrenzlose Kombination von "sportlichen
Aktivitäten", "Rettungsdienst", "Projekt"
und "Expedition" in der Erlebnispädagogik ! Die Studierenden
erhalten durch die Teilnahme an den praktischen Aktivitäten die
Möglichkeit, die Erlebnispädagogik aus eigener Erfahrung heraus
kennenzulernen, wobei die Übernahme von Verantwortung und die Anregung
zur Eigeninitiative zentrale Forderungen an die am Projekt beteiligten
Studentinnen und Studenten darstellen. Die Preiswürdigkeit dieses
nun seit ca. 15 Jahren bestehenden Projektes sieht die Jury insbesondere
in seiner arbeitsgemeinschaftlichen und unmittelbaren (theoretischen
und praktischen) Einbeziehung vieler Studierenden in das erlebnispädagogische
Wirkungsfeld, damit primär in der Breitenwirkung, die inzwischen
weit über Hildesheim hinaus objektivierbar ist.
Erstmals wurde bei der Preisvergabe des "OUTWARD BOUND-PREISES"
keine zeitlich isolierte erzieherische Einzelmaßnahme prämiert,
vielmehr wurden Langzeitleistungen eines Initiators - hier: Prof. Michael
Schwindt - und seiner Institution - hier: Fachhochschule Hildesheim
/ Holzminden - von erlebnispädagogischem Gewicht honoriert. Dabei
hätte sich bereits in früheren Jahren so manches der zahlreichen
Projekte, die von Hildesheimer Studierenden in den vergangenen Jahren
tatkräftig in die Praxis umgesetzt wurden, als durchaus preiswürdig
erwiesen, wäre es als solches dokumentiert und fristgerecht angemeldet
worden.
Wenn es stimmt, daß sich die Erlebnispädagogik von "unten"
her - also aus praktischen Erfordernissen und drängenden sozialpädagogischen
Notwendigkeiten heraus - seit Ende der 70er Jahre in der Bundesrepublik
Deutschland entwickelte, dann hat Prof. Michael Schwindt wesentlichen
Anteil daran, daß diese neue und ganzheitliche Sichtweise inzwischen
ihre Bedeutung auch in der Ausbildung von Fachhochschulstudentinnen
und -studenten unter Beweis stellen konnte. - Insofern stellte die Preisvergabe
gleichsam einen "Meilenstein" der erlebnispädagogischen
Entwicklung dar. Mitten in diesem anhaltenden Prozeß galt es,
herausragende Leistungen mit erzieherischem Augenmaß zu erkennen,
zu analysieren, zu bewerten und aufgrund ihrer Güte öffentlich
bekannt zu machen, was mit dieser Preisverleihung ausdrücklich
unterstrichen wurde.
- Zu 2.: In 180 Tagen von Agadir (Marokko) zurück nach Regensburg
- Ein Reiseprojekt mit dem Mountainbike.
Im Rahmen der intensiven sozialpädagogischen Einzelbetreuung
(ISE) nach § 35 Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) starteten
der Pädagoge Peter Alberter vom Institut Kooperative Abenteuer-Projekte
und der 15jährige Tim aus dem Kinderzentrum St. Vincent (Regensburg)
eine ungewöhnliche Reise mit Mountain-Bikes: Von Agadir (Marokko)
zurück nach Regensburg in 180 Tagen. Nachdem für den verhaltensauffälligen
(geringe Frustrationstoleranz, Suizidversuch, Fremdgefährdung,
etc.) Tim kein Heimplatz gefunden werden konnte, entschlossen sich die
Verantwortlichen für eine rasche, auf die individuelle Problem-
und Bedürfnislage des Jugendlichen abgestimmte Krisenintervention,
nach deren Beendigung Tim (in jedem Fall) in eine Außenwohngruppe
des Kinderzentrums St.Vincent aufgenommen werden sollte. Von einer halbjährigen
individuellen Betreuung erhoffte sich das Kinderzentrum die Stabilisierung
seiner Persönlichkeit und das Entdecken neuer Perspektiven für
sein zukünftiges Leben. In der täglichen Auseinandersetzung
mit seinem Betreuer begann Tim unterwegs allmählich, sich sozial
verträglichere Verhaltensweisen anzueignen und neu auszuprobieren.
Herauszuheben ist die Tatsache, daß Tim jederzeit das Ziel der
Reise vor Augen hatte: Regensburg - und damit die Aufnahme in die Außenwohngruppe.
Im herausfordernden Charakter der ISE lag es, daß es zu erheblichen
Beziehungskonflikten zwischen dem Betreuer und dem zu Betreuenden kam,
die nur durch konkretes zwischenmenschliches Aushandeln behoben werden
konnten. Die "Exotik" dieses erfahrungs- und erlebnisreichen
Projektes ist zwar nicht überzubewerten, hatte aber für Tim
zentralen Aufforderungscharakter. Peter Alberter ging es bei dem gleichermaßen
anspruchsvollen und überaus beanspruchenden Projekt vor allem darum,
Tim in seinen Bemühungen um eine neue Lebensorientierung zu unterstützen.
Dazu zählte auch die Vermittlung von sozialen und individuellen
Kompetenzen (wie z.B. Eigenverantwortung, Eigeninititative, Toleranz
oder Gemeinschaftsfähigkeit).
Die Jury war vor allem von der weitsichtigen und umfassenden Vor-
und Nachbereitung dieser erlebnispädagogischen Maßnahme (psychische
und mentale, physische und technische Vorbereitung) beeindruckt sowie
von der Einbindung der Unternehmung in die alltägliche Projektarbeit
des Kinderzentrums (Außenwohngruppe). Es ist dem Autor des Berichtes
in besonderem Maße gelungen, die erlebnispädagogische Relevanz
seines Projekts in anschaulicher Genauigkeit und aussagekräftiger
Illustration darzulegen und zu objektivieren.
Zu 3.: Kletter-Event in Orpierre (Südfrankreich)
Das Waldhaus, das lobernswerterweise bereits an der Vorjahres-Ausschreibung
teilnahm, beteiligte sich dieses Mal mit der Dokumentation eines einwöchigen
Kletter-Events in Orpierre (Südfrankreich) am "Outward Bound
Preis '96". Nachdem das Klettern im Waldhaus zu einer festen und
überaus beliebten Einrichtung jugendlicher Freizeitgestaltung geworden
ist, wird nun das Medium Kletterwand zunehmend zielbewußt in der
erlebnispädagogischen Arbeit eingesetzt. Das Ziel erlebnispädagogischen
Wirkens sieht das Waldhaus in einer Verbindung zwischen der selbstgewonnenen
Erfahrung von Selbstwirksamkeit aufgrund von aktivem und situationsangemessenem
Verhalten und dem daraus resultierenden konkreten Handeln. Selbstwirksamkeit
ist dabei definiert als die Überzeugung eines jungen Menschen,
über die zur Zielerreichung notwendigen Fähigkeiten zu verfügen.
Vier pädagogisch bzw. im Bereich "Klettern" ausgebildete
Mitarbeiter standen bei dem Event 12 Jugendlichen gegenüber. Durch
die Ferne zivilisatorischer Einflüsse mußten sich die Jugendlichen
förmlich und sehr konkret auf höchst Unbekanntes einlassen,
woraus sich neue Handlungs- und veränderte Erfahrungsmöglichkeiten
für jeden Jugendlichen ergaben. Trotz aller Konkurrenz unter den
jugendlichen Kletterern stand das gemeinsame Erleben sowie das soziale
Lernen (Verbesserung der Selbstwahrnehmung, des Einfühlungsvermögens
und der Kritikfähigkeit, der Stabiliserung des Selbstbildes, etc.)
in einem attraktiven Lernfeld stets im Mittelpunkt. Das Waldhaus qualifizierte
sich insbesondere dadurch, daß aus der vorgelegten Dokumentation
eindeutig hervorging, daß der Kletter-Event einen festen integralen
Bezug zum Alltag der Einrichtung aufweist.
Was die Publikation der von der Jury für preiswürdig erachteten
Arbeiten anbelangt, so erschien die Langzeitstudie von Prof. Michael
Schwindt (FHS Hildesheim / Holzminden) aufgrund ihres Umfangs in der
Schriftenreihe "Kleine Schriften zur Erlebnispädagogik"
, während die Zusammenfassungen der Berichte der beiden anderen
Preisträger in der "Zeitschrift für Erlebnispädagogik"
(Lüneburg) nachzulesen waren.
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Zur Vergabe des Outward Bound-Preises 1997 und 1998 |
Aus organisatorischen Gründen wurde im Dezember 1998 sowohl der
"OUTWARD BOUND-PREIS 1997" als auch der "OUTWARD BOUND-PREIS
1998" zeitgleich vergeben.
"OUTWARD BOUND-PREIS '97"
Unter den zahlreichen Bewerbungen wurden die folgenden drei Projekte
für besonders preiswürdig erachtet und ausgewählt, wobei
- trotz erheblicher struktureller Unterschiede in der Zielsetzung, Ausgestaltung
und praktischen Durchführung - bewußt keine Stufung konstruiert
wurde, alle drei Vorhaben somit eine gleichrangige Bewertung erfuhren:
- Jugend für Europa - Floß '97.
Eine erlebnispädagogische Maßnahme des Sozialpädagogischen
Zentrums Gleink (Österreich) [Christian Kohner-Kahler, Herbert
Prieler] und der Katholischen Jugendfürsorge Regensburg [Michael
Eibl], in Zusammenarbeit mit der "Kooperative Abenteuer-Projekte"
(K.A.P.-INSTITUT) Regensburg [Peter Alberter]:
-
"Cinque Torri"- Erlebnispädagogik in der stationären
Jugendhilfe.
Eine Maßnahme des Thomas-Wiser-Hauses - Heilpädagogik und
Therapie (Regenstauf) mit Dipl.-Päd. Jürgen Einwanger (Fachhochschule
Regensburg - FB: Sozialwesen).
-
Pony-Treck '97 - Eine Ferienmaßnahme der Landes-hauptstadt
Hannover.
Britta Kowalski, Giesen.
Die nachfolgenden Skizzierungen der ausgewählten Projekte sollen
zur Begründung für die Preisvergabe genügen:
- Zu 1.: "Jugend für Europa - Floß '97":
Mit der Dokumentation über ein Floßbau-Projekt, seiner
Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung bewarben sich das
Sozialpädagogische Zentrum Gleink in Steyr (Oberösterreich)
und die Kath. Jugendfürsorge Regensburg um den "OUTWARD BOUND
- PREIS 1997". Die Gesamtleitung des vom 17. - 25. Mai 1997 stattgefundenen
deutsch-österreichischen Kooperationsprojekts lag beim Institut
"Kooperative Abenteuer Projekte" (K.A.P.-Institut) Regensburg.
17 verhaltensauffällige Jugendliche im Alter von 15 bis 21 Jahren
aus Deutschland und Österreich standen dabei vor der Aufgabe, unter
fachlicher Anleitung ein fahrtüchtiges Floß aus 200 Holzstämmen
zu zimmern, um anschließend auf ihm die Donau von Vohburg nach
Kelheim "herunterzuschippern".
Zur besseren Koordination der anfallenden Aufgaben dieser von der
Europäischen Union geförderten Erziehungsmaßnahme, wurden
die Projektgruppen Floßbau, Ruderkonstruktion und Küche geschaffen.
In diese Gruppen teilten sich die Jugendlichen ein. Das Fäl-len
der Bäume geschah unter ökologischen Gesichtspunkten unter
Anleitung des hiesigen Försters. Zur Vorbereitung auf die Floßfahrt
machten sich die Jungen und Mädchen bei einer kurzen Kanutour auf
dem Regen mit Wind, Wasser und natürlich auch den Sicherheitsvorschriften
vertraut.
Den Durchführenden ging es bei diesem Projekt insbesondere darum,
die z.T. schwererziehbaren Jungen und Mädchen zu einer zielorientierten
Zusammenarbeit zu motivieren und dadurch den Wert eines jeden einzelnen
Gruppenmitglieds herauszustellen. Das Miteinander führte zwangsläufig
zu Konflikten und Meinungsverschiedenheiten, die dann umgehend vor der
gesamten Gruppe besprochen und geklärt wurden. Auf diese Weise
erfuhren sich die Jugendlichen als gleichberechtigte und zudem ernstgenomme
Mitglieder der Gruppe. Die für die Bewältigung des Floßbaus
notwendige und von jedem aufgebrachte Kooperation, Ausdauer und Hilfsbereitschaft,
ließ die Jungen und Mädchen erkennen, daß sie für
das Gelingen dieses Projektes unentbehrlich waren. Davon profitierte
das Selbstwertgefühl. Dadurch, daß sich die Gruppe aus deutschen
und österreichischen Jugendlichen zusammensetzte, kam es - wie
natürlich von den Veranstaltern und Betreuern erhofft - zwischen
ihnen zu einem kulturellen Austausch. Vorurteile und Ängste konnten
durch den persönlichen Kontakt bei Arbeit, Spaß und Spiel
abgelegt werden, während die Toleranz gegenüber "den
anderen" sprunghaft anstieg.
- Zu 2.: "Cinque Torri":
Für den "OUTWARD BOUND - PREIS 1997" reichte Jürgen
Einwanger seine Diplomarbeit über das erlebnispädagogische
Langzeitprojekt "Cinque Torri" des Thomas-Wiser-Hauses in
Regenstauf ein. Das Thomas-Wiser-Haus ist eine der Caritas angegliederte
und gemeinnützige Einrichtung der Jugendhilfe, das von der Thomas-Wiser-Stiftung
getragen wird. Das von November 1995 bis August 1996 andauernde Projekt
hatte zum Ziel, die Jugendlichen einer heilpädagogischen Wohngruppe
auf ihrem Weg zur Selbständigkeit zu unterstützen und zu fördern.
Der Erwerb neuer Kompetenzen wirkte ebenso selbstwertsteigernd wie die
unterschiedlichen Erlebnisse in Gemeinschaft miteinander. Als pädagogisches
Medium wählten die Verantwortlichen das Sportklettern, ergänzten
es von Zeit zu Zeit mit Bergwandern und auch Höhlenerkundungen.
Während die Vorbereitungsphase in erster Linie dafür genutzt
wurde, den Jugendlichen das Einmaleins des Kletterns zu vermitteln,
ging es in der Durchführungsphase darum, die erlernten Fähigkeiten
an mehreren mehrtägigen Unternehmungen in der Praxis zu erproben.
Zu den Aktivitäten der Durchführungsphase gehörten neben
anderen auch der Bau der Kletterwand, die Kletterwoche in Arco am Gardasee,
die Bergtour mit Hüttenübernachtung und das Höhlenwochenende
in der Fränkischen Schweiz. Die nach jeder Aktion stattgefundenen
Reflektionsrunden dienten der Nachsinnung und Verbalisierung des unmittelbar
Erlebten und Erfahrenen. Das erlebnispädagogische Langzeitprojekt
"Cinque Torri" gestaltete sich nach dem Grundsatz einer stetigen
Steigerung der Anforderungen an die Jugendlichen. Am Ende des Projekts
erwartete die 8 Jugendlichen dann auch die wohl anspruchvollste Unternehmung:
Eine Expedition durch die Sarntaler Alpen und ein Kletterkurs in den
"fünf Türmen" ("Cinque Torri") der Dolomiten.
Diese 10 Tage umfassende Abschlußaktion erforderte von den Jugendlichen,
bereits erlernte Handgriffe und gemachte Erfahrungen selbständig
einzubringen bzw. anzuwenden.
- Zu 3.: "Pony Treck '97":
Mit einer Ausarbeitung über einen Pony-Treck beteiligte sich
die Stadt Hannover am "OUTWARD BOUND - PREIS 1997". Unter
der Leitung eines 4 köpfigen Betreuer-Teams im Rahmen einer Sommerferien-Maßnahme
reitwanderten 21 Jungen und Mädchen im Alter von 11 bis 16 Jahren
von Hannover nach Otterndorf an der Elbe. Auf diese Weise legten die
jungen Reitfans an insgesamt 19 Treck-Tagen knapp 290 Kilometer zurück.
Die Aufgaben auf dem Treck waren so verteilt, daß die Teilnehmer
in Gruppen unter Anleitung eines Betreuers bestimmte Verantwortungsbereiche
übernahmen (z.B: Küche, Kutschieren und Beladen des Planwagens,
pädagogische Leitung usw.). Die meisten Teilnehmer brachten umfangreiche
Reiterfahrung mit - nur wenige waren wirklich neu 'im Geschäft'.
Für die Dauer des Trecks übernahm jeder Teilnehmer die Pflege
für ein Pony. Dazu gehörte das tägliche Füttern
wie beispielsweise auch die Leistung "seelischen Beistandes"
im Falle einer ärztlichen Behandlung seines Pferdes. Die Jungen
und Mädchen standen nun unmittelbar in der Verantwortung und entwickelten
so zu ihren Vierbeinern allesamt ein inniges, ja fast elterlich-fürsorgendes
Verhältnis. Auf diese Weise konnten die 11-16jährigen selbst
erfahren, was es heißen kann, Verantwortung zu übernehmen.
Bei all den pädagogischen Zielen, die in einem solchen Lernfeld
von den Durchführenden in der Regel anvisiert werden, erklärte
die Treckleitung Selbständigkeit und partnerschaftliches Miteinander
zu ihren Schwerpunktzielen in der Gruppe. Während zu Beginn des
Trecks die Betreuer den Tagesablauf planten und die Arbeitsdienste einteilten,
übernahmen zunehmend auch die Kinder und Jugendlichen diese Aufgabenbereiche.
Den Höhepunkt dieses Lernexperimentes bildete der sogenannte "betreuerfreie
Tag", der sich dadurch auszeichnete, daß alle bislang von
der Treckleitung ausgeführten Ämter für 24 Stunden an
die 21 Jungen und Mädchen delegiert wurden. Während der im
Vorfeld des Trecks belegte Erste-Hilfe-Kurs die Sinne für einen
anteilnehmenden Umgang miteinander schärfen sollte, zielte das
Projekt Film auf die Eigeninitiative und Selbtsorganisation der Teilnehmer
ab.
"OUTWARD BOUND-PREIS '98"
Der Preis wurde dem Projekt "Mit Problemjungen in Lappland"
zuerkannt, das von Klaus Jacobsen (Bremen) im Auftrag des "Vereins
für Reittherapie und Heilpädagogik e.V." in Celle (Ehepaar
Mehls) über viele Jahre jeweils während der Wintermonate in
Norwegen kontinuierlich und erfolgreich durchgeführt wurde. Bereits
vor der Begründung des "OUTWARD BOUND - PREISES" konnte
die interessierte Öffentlichkeit nachlesen, daß hier wegweisende
Jugendhilfe geleistet wurde, und zudem erfassen, welche wichtigen und
mitteilenswerten Erfahrungen gesammelt werden konnten.
Wie bereits bei der Vergabe des Preises an Prof. Michael Schwindt und
sein Team im Fachbereich Sozialpädagogik der Fachhochschule Hildesheim
/ Holzminden (1996), wurden hierbei engagierte Projektträger ausgezeichnet,
die keine zeitlich isolierte erzieherische Einzelmaßnahme verantworteten,
sondern ihre Arbeit langfristig angelegt hatten. Zudem - und das wurde
nun erstmals bei der Preisvergabe berücksichtigt - wurde ein Verein
geehrt, der auf vielfältige Weise der Outward Bound-Idee inhaltlich
verpflichtet ist: denn unter Leitung von Ulla Mehls fanden beachtliche
Vorhaben im In- und Ausland statt, die die Jury überzeugten, somit
in die Bewertung mit eingingen und über die ebenfalls bereits berichtet
worden war.
- Projekt "Mit Problemjungen in Lappland" des
Vereins für Reittherapie und Heilpädagogik e.V. - Celle,
vertreten durch Ulla und Andreas Mehls (Celle) und Klaus Jacobsen (Bremen)
Auch hier ein zusammenfassender Überblick über die geleistete
Arbeit, die der inhaltlichen Begründung zur Preisvergabe diente:
- Der Verein für Reittherapie und Heilpädagogik e.V. - Celle:
Mit seiner Vorbereitung für den ersten Lapplandaufenthalt 1991
hat der "Verein für Reittherapie und Heilpädagogik e.
V." (VRH) in Celle seine erarbeitete Konzeption, für das erstmalig
von ihm durchgeführte erlebnispädagogische Projekt - "Wanderritt
mit Pferden 1989 entlang der deutsch-deutschen Grenze von Ummern (Landkreis
Gifhorn) bis Passau (Bayern)" - den besonderen Anforderungen des
Lappland-Projektes angepaßt. Die Grundkonzeption des VRH-Celle
hatte sich in den Projekten DAKTUM, CUMA GITTJAK und AMTU ALUMEH (insgesamt
Wanderritte von 4 - 8 Wochen innerhalb Deutschlands) bewährt. Dem
ersten "Winterprojekt Lappland" schlossen sich noch acht weitere
an.
Von Beginn an war es das Ziel des VRH-Celle, alle erlebnispädagogischen
Maßnahmen sorgfältig vor- und nachzubereiten sowie eine detaillierte
Dokumentation zu erstellen, um die gewonnenen Erfahrungen belegen und
gleichzeitig damit Handreichungen für die Übertragbarkeit
für andere und / oder ähnliche Projekte bereitstellen zu können.
In der überarbeiteten Konzeption wurde berücksichtigt, daß
das Projekt auch für Jungen, die in anderen Einrichtungen betreut
werden, offen sein sollte. Es hat sich jedoch im Verlauf der durchgeführten
Maßnahmen gezeigt, daß dieser Fall kaum zum Tragen kam.
Der in Frage kommende Personenkreis kann folgendermaßen skizziert
werden:
Es handelt sich speziell um Jungen, die für ihre Familien, ihre
Schulen und sonstigen sozialen Gruppierungen nicht mehr tragbar sind.
Damit sind u.a. auch "Szene-Kinder" gemeint, die weder von
Eltern, Angehörigen und / oder einer pädagogischen Institution
erreicht werden können und die bereit sind, sich auch wegen der
Erlebnisinhalte mit "Risikobegleitung" im Sinne der Erlebnisfähigkeit
und Bewältigung von besonderen Situationen einlassen wollen. Daß
diese Projekte keinen "Survival-Charakter" haben, versteht
sich von selbst, dies auch deshalb, weil erlebnispädagogische Projekte
der Kompensation zu sonst oft in Szenen angesiedelten sinnlosen Risikohandlungen
wie "S-Bahn-Surfen", "Autorasen" u. ä. dienen.
Der VRH-Celle hat insbesondere für die Vorbereitungsphase einen
Schwerpunkt gesetzt, da dort alle Ziele vorgetragen und die dazu vorgesehenen
Handlungsschritte jedes Einzelnen ausgehandelt werden, auch im Sinne
des Damit-vertraut-machens. Immer wurde versucht, diese Phase, die wenigstens
zwei Wochen dauern sollte, fest einzuplanen und durchzuführen.
Nur in Einzelfällen ist von diesem äußerst sinnhaften
Prinzip abgewichen worden, wenn Unterbringungsträger aufgrund aktueller
Problemlagen einzelner Jungen, ihre Mitbeteiligungsnotwendigkeit überzeugend
darstellen konnten.
Das Ziel der einzelnen Projekte wurde, ebenso wie die Durchführung,
stets genau festgelegt. Natürlich mußten wegen der pädagogischen
Flexibilität vor Ort durchaus Modifikationen bei der Ausführung
im Alltag erfolgen, jedoch ist das vereinbarte Ziel nie vernachlässigt
worden oder gar aus dem Blickfeld geraten.
Bei der Alltagsbewältigung - d.h. eben auch zur Existenz- und
Lebenserhaltung - ist es unausweichlich, insbesondere bei Schlechtwetterlagen
im Winter, daß die festgelegten Aufgaben von jedem Jungen präzise
und verläßlich eingehalten werden. In den ehemaligen Holzfällerhütten
mußte immer für Nahrung und deren Zubereitung sowie ausreichende
Wärme gesorgt werden.
Diese Notwendigkeit löste im Einzelfall durchaus Probleme aus,
da zumindest zu Beginn der Maßnahme nicht alle Jungen über
das erforderliche Sozialverhalten verfügten.
Obwohl die Aufenthaltsorte in der Regel nicht in unmittelbarer Nähe
zu urbanen Zivilisationen lagen, spielte für die Jungen das Taschengeld
immer eine wichtige Rolle, das dann auch wieder für gewohnte Konsumverhalten
(u.a. für Tabak, Alkohol) einzusetzen versucht wurde.
Pädagogisch sinnvoll erwies es sich bei den Maßnahmen, die
Taschengeldauszahlung mit nicht lebensnotwendigen Gemeinschaftsausgaben
(z. B. Holz für Lagerfeuer hacken, Autopflege) zu verknüpfen.
Damit sollte ein realistisches Gespür für die Erledigung von
Gemeinschaftsaufgaben gewonnen werden.
Für die Problemjungen des Projekts war es ganz wesentlich, die
Reisezeit auch ausreichend lange auszudehnen, damit gewohnte Verhaltensmuster
und -strukturen in der Erinnerung "blasser" werden konnten.
Das Wiedereinlassen auf bislang abgelehnte Normen und Werte war nur
nach monatelanger Trennung vom unerwünschten und schädlichen
Milieu möglich.
In der Regel hatten alle Jungen Schulprobleme, sei es, weil sie Schulvermeider
waren und / oder sich am Unterricht nicht beteiligt hatten. Außerdem
mußte festgestellt werden, daß meist nicht das Niveau der
entsprechenden Regelschulen vorlag. Für die konzeptionelle Zielvorstellung
des VRH-Celle, der Leistungsbejahung, war es deshalb selbstverständlich
eine schulische Grundversorgung - dem Niveau des Einzelnen angepaßt
- mit einzuplanen. Dabei mußte die Erfahrung gewonnen werden,
daß dies eine der schwersten Aufgaben war, da das Erlebnis - eben
im "Hohen Norden" weitgehend frei von Schule und Leistungsdruck
zu leben - im Verständnisvordergrund der Jungen stand.
Die erlebnispädagogischen Projekte "Lappland" wurden
stark von der Landschaft geprägt. Gerade die großartige Weite
und Weltvergessenheit dieser oft als karg empfundenen Landschaft hat
einen besonderen Reiz. Da skandinavisch Lappland nicht im Mittelpunkt
der Touristenströme liegt, bietet es ein sehr geeignetes "Klima"
für erlebnispädagogische Maßnahmen. Bei diesen Einschätzungen
können die Menschen dieser Region nicht außer Betracht bleiben.
Sie zeichnen sich durch ihre selbstverständliche Empathie - besonders
gegenüber jungen Menschen - aus. Das selbstverständliche Vertrauen,
das deutsche Problemjungen in der Regel nicht kennen, und die immer
wieder entgegengebrachte Freundlichkeit, bildeten die Basis für
einen spürbaren Vertrauenszugewinn. Dies hat insbesondere dann
Bedeutung, wenn die festen Standquartiere auf der Fahrt zum Nordkap
mehrfach verlassen werden und jeder mit seinem Zelt, seinem Geschirr,
seinem Gaskocher und seinen Lebensmitteln und / oder seinem Lebensmitteletat
zurechtkommen muß. In dieser Zeit muß sich zeigen, ob das
bisher Gelernte ausreicht, um unter zunehmenden An- und Herausforderungen
bestehen zu können.
Aus den Berichten des VRH-Celle ist zu entnehmen, daß das Erleben
der Mitsommernacht am Polarkreis zu den großen Naturerlebnissen
der Jungen gehörte, ebenso wie Wanderungen auf den Lofoten und
das Miterleben einer traditionellen Lappenhochzeit. Es ist maßgeblich,
daß es zum Bruch mit allen negativen Gewohnheiten kommt und unvoreingenommene
Einstellungen gegenüber der neuen Lebenssituation erreicht werden
können; dies insbesondere mit der Option, sich dann zuhause auch
den gesellschaftlichen Leistungsanforderungen im Rahmen der vorhandenen
Möglichkeiten neu zu stellen. Es hat sich gezeigt, daß die
vielfältigen und prägenden Erlebnisse in dieser wilden Landschaft
und mit den dort lebenden Menschen und ihren Gewohnheiten, mit den besonderen
Anstrengungen, die allen Teilnehmern abverlangt werden, diesen beziehungsgestörten
jungen Menschen letztlich hilft, Verhaltensänderungen zu wagen.
Die einmal jährlich stattfindenden Projekte waren so geplant,
daß der Reisebeginn jeweils vor Frühjahrsanfang - dem auslaufenden
nordischen Winter - lag und sich die Projekte dann bis August / September
hinziehen konnten. Danach kehrten sie mit der Option einer zweimonatigen
Nachbetreuung mit ihrem Betreuer nach Celle zurück. Mit dieser
Phase endeten die Maßnahmen. Überwiegend schloß sich
eine Weiterbetreuung in einer Teileinrichtung des VRH-Celle an.
Während der Nachbetreuungszeit wurden weitere Mitarbeiter in das
Konzept integriert. Diese wurden insbesondere für den Schul- oder
Projektbereich eingesetzt, mit der Zielsetzung, den meist zu diesem
Zeitpunkt nicht vorhandenen schulischen Anschluß herzustellen.
Außerdem wurden die Nachmittags- und Abendstunden pädagogisch
begleitet, ebenso die Nacht- und Frühzeiten.
Es ist evident, daß alle Betreuer sowohl über ein hohes
Maß an physischer und psychischer Belastbarkeit und Durchhaltefähigkeit
als auch über (über das Normalmaß hinausgehende) empathische
Fähigkeiten verfügen müssen.
- Zur sozialtherapeutischen und -pädagogischen Arbeit von Klaus
Jacobsen:
Interesse an der Arbeit mit Jugendlichen zeigte Klaus Jacobsen schon
während seines ersten Jobs in den 50er Jahren: Als junger Schaufensterdekorateur
kümmerte er sich auch noch nach Feierabend um seine Lehrlinge,
rief mit ihnen eine Laienspielgruppe ins Leben und bewegte sie zum Sport.
Der Grundstein für eine "pädagogische Karriere"
schien gelegt. Er bewarb sich um eine Ausbildung zum Kindergärtner
in einer Wohlfahrtspflegerschule in Hannover-Kleefeld, um sein Interesse
an der Jugendarbeit in Theorie und Praxis zu fundieren. Da es eine derartige
Ausbildung damals noch nicht gab, wurde ihm statt dessen die Ausbildung
zum Wohlfahrtspfleger nahegelegt. Nach einem Praktikum und dem Abschluß
der Wohlfahrtpflegerschule begann er seine Tätigkeit als Sozialarbeiter
- so der damals neue Terminus - in dem Bremer Jungenheim "Ellener
Hof".
Nach einer weiteren Ausbildung zum Heilpädagogen übernahm
Klaus Jacobsen schon bald die im Ellener Hof neu eingerichtete heilpädagogische
Abteilung. In der Hoffnung, einen Fußball für das Heim gespendet
zu bekommen, schrieb ein Jugendlicher alle Vereine der 1. Fußball
Bundesliga an. Während noch der Karlsruher SC aufgrund von akuten
Abstiegsnöten der Bitte nicht nachkommen konnte (!), schickte Hannover
96 ein Paket mit Vereins-Souvenirs, darunter Autogrammkarten und den
erwünschten Fußball. Im Laufe der Jahre entwickelten sich
diese ersten Kontakte zu einer tiefen, freundschaftlichen Verbundenheit
zwischen dem Ellener Hof und den Kickern von Hannover 96. Während
die Jugendlichen die Mannschaft immer wieder in ihr Heim einluden, erhielten
sie Freikarten für Heimspiele. Einmal durften die Jugendlichen
sogar ihre Fußball-Idole im Hotelquartier besuchen. Mit stolzgeschwellter
Brust schritten sie an den zahlreichen Pressevertretern vorbei in die
Eingangshalle. Die Fußballer wurden auf diese Weise zu einem wichtigen
Bestandteil in der Arbeit von Klaus Jacobsen. Sie schrieben den Jugendlichen
Briefe, luden sie z.T. zu sich nach Hause ein und spielten mit ihnen
Fußball. Der Einfluß der Spieler auf die Jugendlichen war
augenscheinlich. Dafür soll folgendes Beispiel stehen: Ein Jugendlicher
mit ungewaschen dreinschauendem Äußeren hatte sich über
ein Jahr geweigert, sich die Haare schneiden zu lassen. Alle Bitten
von Seiten der Pädagogen hatten nichts bewirken können. Doch
die Bemerkung eines mit am Tisch sitzenden Fußballers, daß
ihm dessen zotteliges Äußeres überhaupt nicht gefiele,
hatte umso mehr Gewicht. Am nächsten Tag ging der Jugendliche zum
Friseur.
Ähnlich wie die Freundschaft zu den Fußballern weckte auch
der heimeigene "Zoo" das beziehungsbildende Potential in den
Jugendlichen. Kranke oder verletzte Tiere, die die Jugendlichen fanden,
wurden auf dem Ellener Hof untergebracht. Die Jugendlichen bauten den
Innenhof um, zimmerten Käfige und Gehege; es entstanden zwangsläufig
Patenschaften zwischen den Tieren und Jugendlichen. Kaninchen, Meerschweinchen,
Schildkröten, Hühner, Hamster, Schwäne und Greifvögel
erforderten die ungeteilte Pflege und Fürsorge der Jugendlichen,
die sich dadurch als nützlich erleben konnten. Das zweifelhafte
Engagement eines Mitarbeiters brachte den Zoo aber schließlich
um seine Existenz.
Dieses hinterlassene "Vakuum" zwang Klaus Jacobsen regelrecht
dazu, nach neuen "Mitteln" Ausschau zu halten, um die Jugendlichen
vom Weglaufen abzuhalten. Zur selben Zeit suchte eine schwedische Heimleiterin
in Hannover Kinder für ihr Heim in Schweden aus. Eine ausgeheilte
Tuberkulose und ein generell unterernährtes Aussehen bewog sie
dazu, Klaus Jacobsen mit nach Schweden zu "schmuggeln". Dort
machte er seine ersten, die Zukunft prägenden Erfahrungen mit dem
hohen Norden. Auf Anraten eines schwedischen Kollegen entschied sich
Klaus Jacobsen - inzwischen selbst Heimleiter des Ellener Hofs - dazu,
mit den Jugendlichen fortan nach Lappland zu fahren. Das gab den Jugendlichen
wieder ein neues Ziel und ließ sie jede Gelegenheit ergreifen,
sich mit Aushilfsarbeiten einen Teil der Reisekosten zu verdienen. Das
Unternehmen Lappland war in die Wege geleitet.
Nach mehreren "Schnupperaufenhalten" in Schweden führte
Klaus Jacobsen 1967 seine erste Jungengruppe nach Lappland. Bis zur
Schließung des Jungenheimes 1989 kehrte er jedes Jahr - und das
zum Teil gar mehr als ein Mal - mit einer Jugendgruppe aus dem Ellener
Hof ins nordskandinavische Fjäll zurück. Die Jungen waren
aktiv an der Vorbereitung der Abenteuerreisen beteiligt, indem sie relevante
Themen (wie Klima, Flora und Fauna Lapplands) den anderen Jungen referierten
oder Broschüren aus Reisebüros besorgten. Trotzdem: Ob allein
oder mit einem zweiten Betreuer, die Reise mit sozial auffälligen
Jungen im Alter von 9 bis 21 erforderte von Klaus Jacobsen "pädagogische
Höchstleistungen". Unter den Jungen befanden sich Ausreißer,
"LKW-Klauer", Pyromanen und auch Totschläger, doch in
der Einöde Lapplands interessieren diese Etiketten nicht, wie er
festgestellt hat. Dort zählen die Teamfähigkeit, das gegenseitige
Helfen und Motivieren. Probleme mußten vor Ort innerhalb der Gruppe
gelöst werden. Kälte, Nässe und Mückenschwärme
mußten ausgehalten werden. In der Weite Lapplands kam es auf jeden
einzelnen an. Allein ging es nicht. So übernahmen die Jungen Verantwortung
für die Gruppe, spürten die Kraft der Gemeinschaft und führten
offene Gespräche; sie stützten sich gegenseitig, überwanden
Unbehagen und Ungemütlichkeit und empfanden echten Stolz über
eine durchgestandene Moorwanderung. Natürlich gab es in den Jahren
Ausreißversuche einzelner. Doch keiner der Flüchtigen brachte
es weit. Entweder blieben sie mit dem Auto liegen oder wurden von norwegischen
Fischern gestellt. "Die Natur grenzt ein, vielleicht besser als
jedes Gefängnis", so formuliert es Klaus Jacobsen immer wieder.
Für ihn sind die Einöde und Einsamkeit Lapplands "natürliche
Erzieherinnen". Einige Jugendliche fuhren viele Male mit nach Lappland
und knüpften so in den Jahren zahlreiche Kontakte zur einheimischen
Bevölkerung. Man vertraute den Jungen und begegnete ihren Problemen
mit großem Verständnis. Vorbehaltlos traten die Lappen bzw.
die Samen den Jungen entgegen, hießen sie in ihren Häusern
willkommen und gaben ihnen zu essen und zu trinken. In ihrer uneigennützigen
Menschenfreundlichkeit zeigten sie sich den Jugendlichen als glaubwürdige
und respektable Persönlichkeiten. Die Jungen blickten zu ihnen
auf - vielleicht weil sie sich von ihnen ernst genommen fühlten.
Auch nach der Schließung des Ellener Hofes in Bremen 1989 konnte
Klaus Jacobsen nicht vom hohen Norden lassen. Er war fortan für
andere soziale Einrichtungen mit Jugendgruppen in Lappland unterwegs
und konnte auf diese Weise an seine hingebungsvolle Arbeit im Ellener
Hof anknüpfen.
- Zu den Ergebnissen der Kooperation:
Statistisch kann der VRH-Celle belegen, daß insgesamt 24 junge
Menschen bei 29 Monaten Reisezeit und im Rahmen von 9 Projekten im skandinavischen
Lappland betreut wurden. Nur an einem Projekt war ein Mädchen beteiligt.
Nur in einem Fall hat es eine vorzeitigen Rückführung gegeben.
Alle 23 jungen Menschen konnten durch den Projektablauf - entsprechend
ihrem Entwicklungsstand und ihrem geistigen Habitus - gefördert
werden. Bis auf zwei Ausnahmen sind sie nach Projektablauf beim VRH-Celle
geblieben und zwei haben sich später auch an erlebnispädagogischen
Folge-Projekten, mit einer anderen Zielsetzung beteiligt,
In einem Fall ist es gelungen, einen Jungen, dem eine negative Prognose
zugeschrieben wurde, in der "Einsamkeit" Lapplands soweit
zu fördern, daß er später für K. Jacobsen bei seinen
Lapplandprojekten ein erfolgreicher Helfer wurde. Gerade für besonders
schwierige Jungen konnte er damit zum aktiven Mittler werden.
Sowohl die Lappland-Projekte, als auch andere erlebnispädagogische
Maßnahmen des VRH-Celle wurden zunächst von Kritikern skeptisch
bewertet und mit erheblichen Vorbehalten bedacht. Bei den vorliegenden
Entwicklungsständen und gestörten Verhaltensformen der Kinder
und Jugendlichen wurde häufig von Skeptikern vermutet, sie legten
eine Spur der "Kriminalität". Genau dies ist bei keinem
Projekt eingetreten. Kriminalität hat nie eine signifikante Rolle
gespielt, obgleich kleinere Vergehen durchaus vorkamen.
Vom VRH-Celle wird immer wieder angeführt, daß die mit den
erlebnispädagogischen Maßnahmen angestrebten Ziele erreicht
wurden und die Teilnehmer ihre kritischen Lebens- und Entwicklungssituationen
in den für sie relevanten Bereichen (Schule, Ausbildung, Alltagsbewältigung)
- abzustellen bereit waren und / oder sich dabei gezielt helfen lassen
konnten.
So wurde es für fast alle jungen Menschen möglich, sich gesellschaftlich
zu integrieren; die dazu erforderlichen pädagogischen Impulse konnten
also "fruchten".
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Zur Vergabe des Outward Bound-Preises 1999 |
Nachdem bei der Vergabe des "OUTWARD BOUND-PREISES '97" bereits
ein österreichischer Jugendhilfeträger Berücksichtigung
fand, der sich an dem Projekt "Jugend für Europa - Floß
'97" aktiv beteiligt hatte, entschloß sich die Jury 1999
zur Vergabe an ein Projekt in Slowenien. Damit wurde - im Einvernehmen
mit der Donatorin, Frau Helly Bruhn-Braas - der bisherige nationale
Wirkungsradius des Preises endgültig zugunsten einer internationalen
Bedeutungserweiterung ausgedehnt. Diese grundlegende Entscheidung entspricht
einerseits der sich abzeichnenden politischen Entwicklung, läßt
sich andererseits rückblickend auch sachlich begründen, denn
in zunehmendem Maße spielt das Ausland bei erlebnispädagogischen
Projekten als "Aktionsraum" eine wichtige Rolle. Waren es
anfangs spezifische Aktivitäten deutscher Jugendhilfeeinrichtungen
im Ausland, die durch Projekte mit erzieherischem Herausforderungscharakter
auf sich aufmerksam machten, so müssen - wenn "grenzüberschreitendes,
globalisierendes und vernetztes Denken" tatsächlich angesagt
sind - auch ausländische Träger, die durch ihre Praxis in
Deutschland überzeugen bzw. positive Akzente setzen, eine Chance
erhalten, mit dem OUTWARD BOUND-PREIS ausgezeichnet zu werden.
Entsprechend diesem generellen Entwicklungstrend wurde der Jugendhilfeträger
in Ljubljana (Slowenien) ausgewählt, weil er die "Zeichen
der Zeit" rasch erkannte und die Chancen des politischen Umbruchs
sofort pädagogisch umzusetzen wußte. Auch diesmal wurde eine
Einrichtung in ihrer Leistung bestätigt, die nicht in einem einmaligen
und unverwechselbaren Projekt sondern durch ca. 40 Projekte in den vergangenen
acht Jahren erbracht worden war. Insbesondere ist dabei Mitja Krajncan
zu danken, der in bewundernswerter Konsequenz und anhaltender Kontinuität
seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu überzeugen wußte
und zudem wichtige wissenschaftliche Grundlagenarbeit erbrachte. Die
realisierten Projekte, die kontinuierlich und aspektreich dokumentiert
wurden , zeichnen sich durch Einfalls- und Ideenreichtum, durch Phantasie
und Kreativität und ein ausgeprägtes erzieherisches Verantwortungsbewußtsein
aus.
- Erlebnispädagogische Projekte des "Vereins für Erlebnispädagogik Sloweniens" (gegründet
1993 - Sprecher: Prof. soc.ped. Mitja Krajncan)
im Zeitraum von 1993 bis 1999.
Bei der Fülle des zu berücksichtigenden Materials (u.a. Berichte,
Tagebücher, Protokolle und Bilder) erschien es der Jury sinnvoll
zu sein, Frau Studienrätin Gabriele Jarochowski-Lesch (Berlin)
mit einer gutachterlichen Stellungnahme zu beauftragen, aus der sich
die nachfolgende Würdigung der erbrachten Leistungen ergibt:
Die Dokumentation "Einführung der Erlebnispädagogik
in Slowenien" von Mitja Krajncan (vgl. Heft 6 / 7 - 2000 der "Zeitschrift
für Erlebnispädagogik" - Lüneburg) belegt in eindrucksvoller
Weise die fundierte pädagogische Konzeption und Vielfalt der frei
finanzierten, erlebnispädagogischen Projektarbeit des "Vereins
für Erlebnispädagogik Sloweniens", der 1993 gegründet
wurde.
Seit seinem Bestehen hat dieser unabhängige, gemeinnützigen
Zwecken verpflichtete und ausschließlich mit ehrenamtlichen Kräften
arbeitende Verein annähernd vierzig Projekte für Kinder und
Jugendliche aus Erziehungsheimen und aus unterstützungsbedürftigen
Familien sorgfältig und pädagogisch verantwortungsbewußt
vorbereitet, inhaltlich und methodisch stringent konzipiert, logistisch
und finanziell abgesichert, zudem intensiv kind- und jugendgemäß
betreut durchgeführt (durchschnittlich entfiel dabei auf zwei Teilnehmer
eines Projekts ein pädagogischer Betreuer, so daß man durchaus
von personalaufwendigen und individualpädagogisch strukturierten
Maßnahmen sprechen darf), umfassend sozialpädagogisch nachbereitet
und wissenschaftlich evaluiert.
Zur weit- und umsichtigen Vorbereitung und Planung von Projektfahrten
und Expeditionen, deren Umfang von Wochenendfahrten ins Umland von Ljubljana
über 10-tägige Fahrten quer durch Slowenien und Routen durch
Ungarn und Kroatien mit internationaler Beteiligung bis zu einer mehrwöchigen
Expedition zum Nordkap reicht, benötigt der Verein durchschnittlich
zwischen fünf Monate und zwei Jahre. Diese arbeits- und zeitaufwendige
Tätigkeit wird neben der Berufstätigkeit und der Durchführung
aktueller Projekte von den Vereinsmitgliedern stets unentgeltlich geleistet
und umfaßt
- eine Vielzahl von Gesprächen mit Kindern, Jugendlichen, Eltern,
Sozialarbeitern und Pädagogen, Erziehungseinrichtungen und Behörden;
- individuelle Aufnahmegespräche, Gruppengespräche bzgl.
der Eruierung von Interessen, Bedürfnissen, Vorstellungen, immer
auch unter Berücksichtigung von Ängsten und Stimmungen der
Teilnehmer;
- die Durchführung von Teambildungs- und Kooperationsprogrammen
und Konditionstrainings;
- die gemeinsame Fahrten- und Expeditionsplanung;
- die Ausarbeitung der spezifischen Evaluationsstudie;
- die Sicherung der Finanzierung über Sponsoring oder über staatliche Zuschüsse;
- den Kauf von Ausrüstungsmaterial, Sondierung von Verpflegung und Unterbringung;
- die Kontaktaufnahme und Terminabsprache mit Experten natursportlicher Aktivitäten (Berg- und Höhlensteiger, Kajakfahrer, Fachleuten für Rafting, Segelflieger) und mit Experten des aktiven Umweltschutzes (z.B. mit Forstwirten).
Pädagogische Zielsetzung dieser umfassenden organisatorischen,
diagnostischen, begleitenden und beratenden Arbeit des "Vereins
für Erlebnispädagogik in Slowenien" ist die psychische
Stabilisierung sozial gefährdeter Kinder und / oder Jugendlicher
durch gruppen- und tätigkeitsgebundenes Erfahrungslernen bei der
Bewältigung von Herausforderungen in natürlichen Umwelten
und ihren jeweiligen Gegebenheiten.
Dazu zählen auch die Vermittlung von sozialen und individuellen
Kompetenzen (z.B. Verbesserung der Selbstwahrnehmung, des Einfühlungsvermögens,
der Eigenverantwortung, der Eigeninitiative, der Toleranz- und Konfliktfahigkeit,
der Gemeinschaftsfähigkeit) in einem für Kinder und Jugendliche
attraktiven Lernfeld (Zeltlager, Bauernhof, alte Mühle, Berghütte,
Insel).
Der Grad der naturbedingten und naturgemäßen Herausforderungen
und der damit intendierten Bewältigungsstrategien, die zu nachhaltigen,
positiven psycho-sozialen Effekten beim Kind oder Jugendlichen führen
soll (Intensivierung des Selbstwertgefühls, der Selbstachtung und
Stabilisierung eines positiven Selbstbildes durch die Erfahrung gesteigerter
Körper-, Willens- und Geisteskräfte sowie der Erfahrung einer
Konflikt- und Entscheidungsfähigkeit durch eine emotional befriedige
den Teilnahme und Integration an Gruppenprozessen), wird durch die sehr
genaue Diagnostik der Teilnehmer als auch durch die stetig verfeinerten
Evaluationen während und nach den aktuellen Projekten sowie zwischen
den unterschiedlichen Projektarten seit 1995, insbesondere von Mitja
Krajncan aufmerksam und gewissenhaft beobachtet sowie alters- und projektspezifisch
unter der pädagogischen Zielsetzung reflektiert.
Ursprünglich als Alternative zur staatlichen slowenischen Erziehungspraxis
1992 zum ersten Mal im Erziehungsheim Logatec von der Sozialpädagogin
Tamara Boh und ihrem Kollegen Mitja Krajncan durchgeführt, hat
sich die moderne Erlebnispädagogik in Slowenien in den vergangenen
Jahren auch als Ergänzung schulischer Erziehungs- und Bildungsarbeit
(z.B. das ganzjährige Grundschulprojekt "Der kleine Prinz",
1998) sowie als staatlich geförderte Freizeitpädagogik (z.B.
die Projektreihe "Leben statt Schweben", 1997) etablieren
können.
Diese erfolgreiche Entwicklung der Erlebnispädagogik in Slowenien
als Alternative und Ergänzung des slowenischen Erziehungswesens
führte schließlich 1999 zur Aufnahme der Erlebnispädagogik
als ordentliches Lehrfach im Fachbereich Sozialpädagogik der Universität
von Ljubljana, vertreten zunächst durch Mitja Krajncan.
Aufgrund des vorliegenden, umfangreichen Dokumentationsmaterials läßt
sich vorerst die moderne Erlebnispädagogik in Slowenien durch folgende,
allgemeine Beschreibung kennzeichnen, die sowohl ihre internationale
Vergleichbarkeit und Eingebundenheit als auch ihren hohen Qualitätsstandard
widerspiegelt:
Erlebnispädagogik in Slowenien ist ein institutionell-integrativer
Baustein eines ökologisch orientierten Erfahrungslernens in Outdoor-Lernsituationen
in der Heimerziehung, in der Abenteuer- und Freizeitpädagogik und
in der Sozialpädagogik.
Das pädagogische Anliegen des Reformpädagogen Kurt Hahn,
junge Menschen auf eine aktive, verantwortungsbewußte und selbständige
Lebensführung, gleichsam auf ihre "Fahrt ins Leben",
erlebnistherapeutisch vorzubereiten, hat der "Verein für Erlebnispädagogik
in Slowenien" mit jungen Slowenen seit nunmehr acht Jahren unermüdlich,
kühn und ausgezeichnet praktiziert.
Gemäß der pädagogischen Übertragung des englischen
Begriffs "Outward Bound", der aus der Seeschiffahrt stammt
und bis heute dort gebräuchlich ist (ein Schiff kann - zu großer
Fahrt ausgerüstet und bereit - den Hafen verlassen und auslaufen),
haben sich slowenische Kinder und Jugendliche nicht nur auf wagnisreichen
Expeditionen und in selbständiger Projektarbeit sportlich "ertüchtigt",
sondern sie haben dabei durch die Ernsthaftigkeit der gruppengebundenen,
natursportlichen Aktivitäten gleichzeitig "ein Charaktertraining
durch das Abenteuer" erhalten.
Oder moderner formuliert: Die reich illustrierte und differenziert
dokumentierte Arbeit des slowenischen Jugendhilfeträgers, vertreten
durch die jungen Frauen und Männer, die sich mit ihrer Aufgabe
identifizierten und die erlebnispädagogischen Herausforderungen
verantwortbar meisterten, überzeugt insbesondere dadurch, daß
(nicht zuletzt auch durch die landschaftliche Vielfalt und Schönheit
Sloweniens fundiert) junge Menschen in kritischen Lebenssituationen
in ihrer Heimat lernten, einander vertrauensvoll und rücksichtsvoll
zu begegnen und Herausforderungen gemeinsam zu bestehen und zu meistern.
Es ist eben so: Wer Kinder und Jugendliche fördern will, erreicht
dieses Ziel primär dadurch, daß konkrete Forderungen formuliert
werden, die für die erzieherische Arbeit bindend werden und letztlich
im Ergebnis vielfältige (sachliche, soziale, psychomotorische und
emotionale) Verbindungen schaffen, die "über den Tag hinaus"
wirksam werden und anhaltende Bedeutung erlangen.
Die Preisverleihung fand im Rahmen eines vom "Verein für Erlebnispädagogik
Sloweniens" (DDPS) initiierten Kongresses statt, der unter dem
Motto "Erlebnispädagogik - Eine spezifische Form der Jugendhilfe.
Theoretische Grundlagen und Möglichkeiten und Grenzen der praktischen
Umsetzung" vom 1. - 3. Juni 2000 in Zrece bei Maribor (Slowenien)
unter internationaler Beteiligung durchgeführt wurde.
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Zur Vergabe des Outward Bound-Preises 2000 |
Der Preis wurde drei Projekten zugesprochen, die zwar unterschiedliche
erlebnispädagogische Ansätze besitzen, wobei sich allerdings
die Jury außerstande sah, die erbrachten Leistungen rangmäßig
zu differenzieren. Von daher entschied sich die Jury dazu, die dokumentierten
Arbeiten als prinzipiell gleichwertig zu sehen.
Bei der Beurteilung des "Regenbogenprojekts" wurde Frau Gabriele
Jaroschowski-Lesch (Berlin) um ihre gutachterliche Stellungnahme gebeten.
Dieser Bitte hat sie sich dankenswerterweise nicht verschlossen.
- Das "Regenbogenprojekt" - Ein ganzheitliches Lernprojekt
in fünf Schritten.
"Thomas-Wiser-Haus" (Regenstauf / Oberpfalz) - Jugendwohngruppe
"Haus am Regenbogen" - Dipl.-Päd. Jürgen Einwanger
Für den "OUTWARD BOUND-PREIS 2000" reichte Jürgen
Einwanger eine Dokumentation über das erlebnispädagogische
Langzeitprojekt "Regenbogenprojekt" des Thomas-Wiser-Hauses
in Regenstauf / Oberpfalz ein. Im Anschluß an sein mit dem "OUTWARD
BOUND-PREIS 1997" ausgezeichnetes Projekt "Cinque Torri"
setzte er damit seine erlebnispädagogisch orientierte Jugendhilfe
im Thomas-Wiser-Haus fort und weitete sie zu einer interkulturellen
Begegnungsmaßnahme aus. Indem er Jugendliche aus Italien, Österreich
und Deutschland, die ebenfalls in stationären Jugendhilfeeinrichtungen
leben, mit der heilpädagogischen Wohngruppe "Haus am Regenbogen"
zusammenführte, war es seine sozialtherapeutische und -pädagogische
Intention, diese nunmehr internationale Gruppe von ca. 60 Jugendlichen
durch gemeinsame sportliche und handwerkliche Aktivitäten bei ihren
Bemühungen zu unterstützen, Ängste gegenüber Menschen
abzubauen (die sich u.a. auch in aggressiven Verhaltensweisen, wie z.B.
hohe Gewaltbereitschaft, Stigmatisierung, Fremdenfeindlichkeit, Bevormundung,
Machtmißbrauch u.a.m. zeigen). In dieser Weise sollte jedem Jugendlichen
die Möglichkeit eröffnet werden, sich selbst und andere als
lebendige, produktive Mitglieder einer Kooperation annehmen und kennenlernen
zu können.
Das von Juni 1999 bis August 2000 andauernde Projekt hatte also zum
Ziel, Jugendliche aus verschiedenen, sozialpädagogisch betreuten
Wohngruppen auf ihrem Weg zur Selbständigkeit und zum anteilnehmenden
Umgang miteinander zu unterstützen und zu fördern. Der Erwerb
neuer Kompetenzen wirkte ebenso selbstwertsteigernd wie die unterschiedlichen
Erlebnisse und Erfahrungen in der Gemeinschaft. Als pädagogische
Medien wählten die Verantwortlichen dazu handlungs- und erlebnisorientierte
Begegnungscamps, die von den jeweiligen Gruppenleitern, Erziehern und
pädagogischen Mitarbeitern der einzelnen Jugendwohngruppen organisatorisch
und inhaltlich vorbereitet wurden und in einem vierteljährlichen
Abstand, d.h. insgesamt fünf Mal für je eine Woche, durchgeführt
wurden.
So übernahm das Thomas-Wiser-Haus in Regenstauf / Oberpfalz, vertreten
durch den Dipl.-Sozialpädagogen Jürgen Einwanger, die Gesamtkoordination
des Vorhabens, daneben die Vorbereitung und Durchführung der ersten
und damit pädagogische Maßstäbe setzenden Begegnung
sowie der abschließenden Projektfahrt. Während das erste
Freizeittreffen in Regenstauf (Mai 1999) und das zweite im italienischen
San Lugano (August 1999, vorbereitet durch das Südtiroler Kinderdorf
aus Brixen / Meran) unter dem Motto "Die ersten beiden Schritte:
Abbau von Ängsten - Aufbau von Eigenmotivation" standen und
demgemäß vielfältige natursportliche Aktivitäten
(Workshops zu Sportklettern, Höhlenerkundigungen, Kajak- und Kanadierfahren,
Mountainbiken, Reiten) die kennenlernenden und vertrauensbildenden Gemeinschaftsaktionen
bildeten, wurde das letzte Treffen durch den gemeinsamen "Bau der
Regenbogenhütte" unter Anleitung von Fachleuten in Regenstauf
geprägt. Was konkret bedeutete, daß die internationale Jugendgruppe
am Bau "ihres" europäischen Hauses beteiligt werden sollte
und so erfahren konnte, wie durch Kooperation und grenzüberschreitendes
Handeln etwas sichtbar Bleibendes entstehen kann, das seinen Wert gerade
durch ihr Dasein und Wirken erhält.
Zu diesem anspruchsvollen Vorhaben hatten die dritte und vierte Begegnung
insofern vorbereitet, als daß aus den kennenlernenden Workshops
verbindliche Arbeitsgemeinschaften mit klar gesetzten Zielvorgaben erwuchsen,
aus denen heraus sich bei den Jugendlichen Verantwortung gegenüber
einem Team und Freude an einem gemeinschaftlich erzielten Arbeitsergebnis
entwickelten konnten.
Das erlebnispädagogische Langzeitprojekt "Regenbogenprojekt"
gestaltete sich also nach dem Grundsatz einer stetigen Steigerung der
Anforderungen an die jugendlichen Teilnehmer im Alter zwischen 14 und
17 Jahren. Nach einer ersten Spannungen und Ängste abbauenden Phase,
in der Eigenpotential und -initiative durch attraktive Lernangebote
in reizvoller Umgebung in gemischt nationalen Lerngruppen erfahren und
erprobt werden konnte, galt es in Oberbern am Brenner (Dezember 1999,
vorbereitet durch das Jugendland Arzl aus Innsbruck / Tirol) neben Skilaufen,
Snowboardfahren und Iglubau sich auch in den Medien als eine gefestigte
Gruppe zu präsentieren, die eine gemeinsame "Botschaft"
vermitteln kann und will. Diese Medienarbeit mit einem begleitenden
Fernsehteam als auch ein live übertragenes Interview im Radio erzielte
die erwünschte Wirkung, wie dies aus der Dokumentation der umfangreichen
Berichterstattung abzulesen ist. Die anschließenden "Erlebnistage
am bayrischen Meer", gemeint ist der Chiemsee, die im Mai 2000
von der betreuten Jugendwohngruppe Kolbing vorbereitet wurde, festigte
darüber hinaus durch diverse Wassersport- und geschlechtsspezifische
Outdooraktivitäten die Bereitschaft zu leistungsbezogenen Anforderungen,
theoretische Unterweisungen, aber auch die Reflexion über eigene
Wahrnehmungen und ihre Verbalisierung.
Die pädagogische Zielsetzung dieser vielfältigen erlebnis-
und handlungsorientierten Angebote zum interkulturellen Lernen ist primär
die psychischen Stabilisierung sozial gefährdeter Jugendlicher
durch gruppen- und tätigkeitsgebundenes Erfahrungslernen bei der
Bewältigung von sportlichen Herausforderungen in natürlichen
Umwelten. Dies gestattet darüber hinaus die erfahrungsorientierte
Vermittlung von sozialen und individuellen Kompetenzen (z.B. Verbesserung
der Selbst- und Fremdwahrnehmung, der Eigen- und Fremdverantwortung,
der Eigeninitiative, der Toleranz- und Konfliktfähigkeit, der Gemeinschaftsfähigkeit)
in einem für Jugendlichen attraktiven Lernfeld (Zeltlager, Berghütte,
Aufnahmestudio, Baustelle). Der Grad der zunächst natursportlich
geprägten, zunehmend auch handwerklich bedingten Herausforderungen
und der damit intendierten Aneignung von sachlichen Kenntnissen, sozialen
Verbindlichkeiten, psychomotorischen Fertigkeiten und kommunikativen
Fähigkeiten, die zu nachhaltigen, positiven psychischen und sozialen
Effekten führen sollte (Intensivierung des Selbstwertgefühls,
der Selbstachtung und Stabilisierung eines positiven Selbstbildes durch
die Erfahrung gesteigerter Körper-, Willens- und Geisteskräfte
sowie die Erfahrung einer Konflikt- und Gruppenfähigkeit und ihrer
Notwendigkeit bei der arbeitsteiligen Erstellung eines Produktes), ist
auch durch schriftliche Befragung der Teilnehmer zum Teil belegt. So
wurde es für fast alle teilnehmenden jungen Menschen möglich,
sich in diesem Langzeitprojekt zu integrieren und sich dabei ein Stück
weit für Eindrücke jenseits der eigenen Grenze zu öffnen
und / oder sich dabei gezielt helfen zu lassen.
- Erlebnispädagogisches Training in Schweden.
Erwerb von berufsbezogenen sozialen Kompetenzen: Schwedenfahrt im September
1999.
Eine transaktionale Projektfahrt des "Leo-Sympher-Berufskollegs"
im Rahmen des LEONARDO-Programms der Europäischen Union.
"Leo-Sympher-Kolleg" (Minden) - Dagmar Schermeier und Norbert
Fricke
Der Bildungsgang für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf
des Leo-Sympher-Berufskollegs, einer berufsbildenden Schule in Minden,
ist ein Angebot für Schüler und Schülerinnen, die zusammen
mit einer beruflichen Grundbildung den Hauptschulabschluß nachträglich
erwerben wollen. Neben dem Unterricht in den "klassischen"
Schulfächern wie Deutsch oder Mathematik werden die Jugendlichen
durch Vermittlung elementaren Grundwissens an verschiedene Berufsfelder
herangeführt. Persönlichkeitsbildung, Training sozialen Verhaltens,
Vermittlung von allgemeinen Arbeitstugenden und Wertvorstellungen sowie
die Ausbildungsfähigkeit sind dabei erklärte Ziele. So werden
jedes Jahr ca. 100 Jugendliche am Leo-Sympher-Berufskolleg aufgenommen,
die ohne Schulabschluß dastehen und denen es oft an einer für
Ausbildung und Beruf notwendigen Lern- und Leistungsbereitschaft fehlt.
Das Projekt "30 Tage in Schweden" wurde in Värmland
umgesetzt. 15 Jugendliche reisten zur Partnerschule, dem "Nobelgymnasiet"
nach Karlstad. Die erste Phase dieser Fahrt umfaßte die Teilnahme
am dortigen Berufsschulunterricht, die Besichtigung von regionalen Betrieben
und Ausbildungsstätten sowie die Begegnung mit einer schwedischen
Peer-Group. Auf diese Weise fand eine intensive fachliche und kulturelle
Auseinandersetzung mit dem schwedischen Ausbildungssystem statt. So
konnten u.a. besondere Anforderungen an den modernen Industriearbeiter
beobachtet werden, nämlich Team- und Kommunikationsfähigkeit.
Nach dieser ersten Orientierungsphase folgte eine erlebnispädagogische
Trainingseinheit, die die Jugendlichen mitsamt ihren Betreuern für
14 Tage in die Wildnis führen sollte. Dabei war es an der Gruppe,
weitgehend selbständig und improvisierend das Überleben zu
sichern. Zu den pädagogischen Akzenten dieses Wildnis-Trainings
zählten u.a. "learning by doing", "Gemeinschaftserlebnis",
"Bezug zum eigenen Körper", "Erfahrung und Bewährung
statt theoretischer Belehrung" sowie "Bereitschaft zum Risiko
und zur Verantwortung" und "Konflikt- und Planungsfähigkeit".
Für die meisten Teilnehmenden war es der erste Auslandsaufenthalt
ihres Lebens. Sie fanden sich in neuen Situationen zurecht, lernten
neue Menschen und Orte, andere Sitten und Gebräuche kennen. Da
es für die Teilnehmenden während des Projektes keine der sonst
üblichen Ausweichmöglichkeiten gab, mußten sie sich
diesen Lernsituationen permanent stellen.
Nach Rückkehr der Jugendlichen nach Minden und dort in ihre Ausbildungsgänge
konnten ihre dortigen Lehrer erstaunliche positive Veränderungen
hinsichtlich des Argumentationsvermögen, der Lern- und Leistungsbereitschaft,
aktiver Teilnahme am Unterricht oder auch der Planungssicherheit beobachten.
Bereits während der Fahrt bahnten sich wünschenswerte Veränderungen
innerhalb der Gruppe an: Selbstverantwortliches Handeln nahm auf der
Kanutour - so berichteten die begleitenden Lehrkräfte - "sichtbar"
zu.
Das Projekt "Schwedenfahrt im September 1999", das sich als
Ergänzung zum heimischen Schul- und Berufsvorbereitungs-Programm
verstand, wurde mit knapp DM 26.000,-- aus dem LEONARDO-Fond der Europäischen
Union bezuschußt; diese nicht unerhebliche "Finanzspritze
von ganz oben" unterstreicht die interkulturell-pädagogische
Bedeutsamkeit, die diesem Projekt auf europäischer Ebene beigemessen
wurde.
Die Jury nahm interessiert zur Kenntnis, daß viele Jugendliche
in den vergangenen Jahren gestärkt aus diesem Projekt hervorgegangen
sind. Dennoch soll an dieser Stelle betont werden, daß eine Unternehmung
dieser Art insbesondere für Jugendliche bereits Wert an sich hat
und nicht erst durch einen sichtbaren Transfererfolg gerechtfertigt
werden muß. Aus dem Projektbericht ging hervor, daß sich
die Jugendlichen dadurch, daß sie heimische Strukturen verließen
und sich auf neue einließen, selbstkritisch betrachten konnten
und sich dadurch Erweiterungen persönlicher Möglichkeiten
und Grenzen ergaben. Ebenfalls zu würdigen war das Engagement zweier
Lehrkräfte, Dagmar Schermeier und Norbert Fricke, die sich zusätzlich
zum ohnehin aufwendigen Schuldienst immer wieder die Zeit nahmen, dieses
Projekt entschlossen und beherzt - entgegen mancher Widrigkeiten - voranzutreiben.
- Erlebnispädagogische Angebote der Realschule Rennerod.
Michael Vyskocil und Gerhard Röthig (Rennerod)
Die Realschule Rennerod (Rheinland-Pfalz) hat sich in den vergangenen
zehn Jahren intensiv erlebnispädagogischen Vorhaben sowohl im out-door-
als auch im in-door-Bereich gewidmet. Seit 1992 bietet die Realschule
Rennerod fortlaufend handlungsorientierte Angebote für die Klassenstufen
5 bis 10 an, welche sich wie folgt zusammenfassen lassen:
Klassenstufe 5: Erlebnispädagogischer "Grundkurs" mit
jeder Klasse über sieben Doppelstunden zzgl. eines (langen) Projekttages;
Klassenstufe 6: Angebot einer einwöchigen Klassenfahrt mit Expeditionscharakter;
Klassenstufe 7: Angebot von einzelnen Projekt- und Wandertagen, Zelten
mit Aussen- und Nachtaktionen, Ergänzungsangebot durch Skischullandaufenthalt
im Kleinwalsertal;
Klassenstufe 8: Angebot von einzelnen Projekt- und Wandertagen;
Klassenstufe 9: Angebot von einzelnen Projekt- und Wandertagen sowie
einer "Kletter-AG" (Aktionen mit alpinen Sicherungsmitteln
- kein Felsklettern !);
Klassenstufe 10: Angebot von einzelnen Projekt- und Wandertagen, Angebot
einer einwöchigen erlebnispädagogisch orientierten Abschlussfahrt
(Kanuwanderungen, Segel auf dem Ijsselmeer, alpine Hüttenwanderungen
usw.).
In ihrer Arbeit stützt sich die Realschule Rennerod auf ein Gesamtkonzept,
welches sich an jede einzelne Schülerin bzw. jeden einzelnen Schüler
orientiert und diese / diesen als ganzheitliches Individuum wahrnimmt
und respektiert. Die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe
5 nehmen freiwillig am "Grundkurs Phantastische Abenteuer"
teil, da dieser ein festintegrierter Bestandteil im Stundenplan darstellt.
Die erlebnispädagogischen Angebote für die weiteren Klassenstufen
werden in Form von wählbaren Projekten vorgeschlagen. Die unterschiedlichen
erlebnispädagogischen Angebote orientieren sich an den örtlich
vorgegebenen Rahmenbedingungen wie beispielsweise am Schulgebäude
bzw. an der Turnhalle, an der ländlichen Umgebung, am Gelände
und an der Kletterwand der Pfadfindergruppe (DPSG) in Westernohe. Im
Verlauf der vergangen zehn Jahre konnte die Realschule Rennerod vielseitige
Ergebnisse ihrer erlebnispädagogischen Arbeit konstatieren:
- Verbesserung der Klassengemeinschaft sowie des Verhältnisses
zur Schule, den Lehrkräften und zum Unterricht; Abbau von Außenseiterpositionen;
- die teilnehmenden Lehrkräfte können ein persönliches
Verhältnis zu den Schülerinnen und Schülern entwickeln
und erkennen sehr schnell soziale Probleme;
- hoher Bekanntheitsgrad, Akzeptanz und Unterstützung im gesellschaftlichen
Umfeld der Schule - speziell Eltern, Geschäftswelt, Schuladministration
und Politik;
- bei subjektiver Beurteilung geringes Gewalt- und möglicherweise
Drogenpotential;
- durch die Vielfalt der erlebnispädagogischen Angebote gelingt
es, jede Alters- und Interessengruppen im Verlauf der Schulzeit anzusprechen;
- durch die Langfristigkeit und Kontinuität des erlebnispädagogischen
Angebotes können die Schülerinnen und Schüler die positiv
erlebten Verhaltensweisen über einen Zeitraum von sechs Jahren
immer wieder trainieren und vertiefen.
Die Jury würdigte mit der Vergabe des "OUTWARD BOUND-PREISES
2000" an die Realschule Rennerod - insbesondere Michael Vyskocil
und Gerhard Röthig - die von ihr seit über zehn Jahren kontinuierlich
stattfindende sowohl theoretische Auseinahndersetzung als auch praktische
Durchführung mit bzw. von Angeboten mit erlebnispädagogischem
Charakter. Denn gerade für eine Schule bedeutet heutzutage jede
freiwillige Auseinandersetzung und Durchführung von außercurricularen
Angeboten ein Mehr an Belastungen. Die Kontinuität der von der
Realschule Rennerod durchgeführten erlebnispädagogischen Angeboten
sowie die erzielten Ergebnisse und deren wissenschaftliche Auswertung
besitzen daher einen hohen Vorbildcharakter, den es zu würdigen
galt !
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Zur Vergabe des Outward Bound-Preises 2001 |
Seit zehn Jahren ruft der vom Institut für Erlebnispädagogik
an der Universität Lüneburg verliehene Outward Bound-Preis
einen prominenten Wettbewerb hervor, der durch zahlreiche Projekte und
Institutionen lebendig bestritten wird. Der Begründungsrahmen dieses
Preises wird durch die Kurzschulpädagogik Kurt Hahns vorgegeben
und hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Differenzierung erfahren.
Im gleichen Maße, wie sich das erlebnispädagogische Handlungsspektrum
auffächerte, vertraten die berücksichtigten Bewerber durchaus
verschiedene Faccetten des Erfahrungslernens.
Sicher besaß die aus ideengeschichtlicher Sicht durchaus inkonsistente
Outward Bound-Konzeption immer einen herausragenden Ehrenplatz bei der
Entscheidung für die Preisvergabe, doch die modernen Entwicklungen
innerhalb dieser handlungs- und erlebnisorientierten Erziehung fanden
bei den Auswahlentscheidungen ihren zeitgemäßen Eingang.
Besonders ist mit dieser Feststellung verbunden, daß zunehmend
internationale Projekte die Aufmerksamkeit des Lüneburger Instituts
auf sich zogen, was sich aus der transnationalen Bedeutsamkeit der modernen
Erlebnispädagogik und den vielfältigen Kontakten des Instituts
für Erlebnispädagogik plausibel ableiten läßt.
Infolge dieser Konstellationen dient der folgende Text zur Begründung
der Preisvergabe des mit 5.000,-- DM dotierten Outward Bound-Preises
2001 an das spanische Projekt "Ruta Quetzal", das in der Interpretation
von Dirk Nasser und Michèle Lohmar eindrucksvoll an Kontur gewinnt.
Zunächst kann festgestellt werden, daß beide Autoren ihre
gemeinsame Untersuchung "Ruta Quetzal. Darstellung und Interpretation
eines erlebnispädagogischen Konzepts in Spanien" im Novemer
2000 fristgerecht vorgelegt haben.
Dirk Nasser ist in der deutschsprachigen Diskussion um die Erlebnispädagogik
kein unbekannter Au-tor. Spätestens 1993 bereicherte er mit seiner
Untersuchung "Erlebnispädagogik in Nordamerika" , die
der Kölner Hochschullehrer Franzjosef Buchkremer im Range einer
Dissertation sah , den erlebnispädagogischen Diskurs. Seine Erfahrungen
zu adventure education sowie experiential education in einer Zeit, als
die Ergebnisse aus dem anglo-amerikanischen Raum in Deutschland noch
eher unentdeckt waren, boten Nährboden für weiterführende
Untersuchungen auf diesem Gebiet. Sieben Jahre danach, quasi als Produkt
seiner aktiven Zeit als Hochschullehrer an der Universität Extremadura
/ Spanien, legt Prof. Dirk Nasser zusammen mit der Journalistin Michèle
Lohmar eine Untersuchung vor, die allein unter den Kriterien für
die Vergabe des Outward Bound-Preises 2001 beurteilt werden soll.
"Ruta Quetzal" (Ruta = Rute, Reise; Quetzal = bunter Urwaldvogel,
mit dessen Schwanzfedern sich Indianerhäuptlinge schmückten
- Wappenvogel und Münzeinheit von Guatemala ) gilt den Autoren
als Metapher und Aufforderung, sich im Kontext der Wissens- und Informationsgesellschaft
alternative Pädagogikgestaltung zu vergegenwärtigen. Sie untersuchen
an einem konkreten Praxisfeld handlungs- und erlebnisorientierter Pädagogik,
welche Erziehungsaufgaben und methodischen Wege handelnden Pädagogen
zukommen, um kulturelle Wertorientierungen und soziale Prinzipien vermitteln
zu können:"Was ist die Ruta Quetzal? ... Das Erlebnis, sich
selbst durch den Kontakt mit anderen kennenzulernen, will Miguel de
la Quadra-Salcedo, Leiter der Ruta Quetzal, seinen Teilnehmern der Expeditionsreisen
ermöglichen und mit auf den Weg geben. Tage intensiven Zusammenlebens,
Weggefährten und Freunde finden, die dieselbe Sprache sprechen,
obwohl sie verschiedener Nationalitäten sind und andere Sitten
und Gebräuche pflegen, das wünscht er sich für die Jugendlichen.
Denn, davon ist er überzeugt: Das ist das Abenteuer. Hier liegt
die Hoffnung." Diesem Erwartungshorizont, dieser pädagogische
Maxime strebt Miguel de la Quadra-Salcedo seit 1993 in Expeditionsreisen
nach, die jährlich in ihrer ersten Etappe in Spanien und in ihrer
zweiten in Amerika stattfinden. Es geht primär um einen interkulturellen
Ansatz der Persönlichkeitsbildung, weil Jugendliche von beiden
Kontinenten im intensiven Zusammenleben zueinander finden, Abenteuer
erleben oder Aufgaben meistern sollen. Die Wissens- und Erfahrungsvermittlung
wird dabei durch erlebnispädagogische Methoden angebahnt, der Umgang
mit Natur und Kultur wird zum Kompaß authentischer sowie themenorientierter
Milieus der Selbsterfahrung und gegenseitigen Erziehung. Diesen komplexen
und mittlerweile traditionsreichen Kontext handlungs- und erlebnisorientierter
Erziehung rekonstruieren die Autoren. Sie reflektieren aber auch die
eigenen Expeditionserfahrungen und unternehmen den Versuch, den inhaltlichen
Bezug zur Erlebnispädagogik systematisch darzustellen.
Die Darstellung gliedert sich in 10 Teilkapitel, die durch ein Vorwort
eingeführt und durch Bibliographie sowie Abbildungsverzeichnis
abgeschlossen wird. Der Leser erhält in der Einleitung und Teilkapitel
2 zunächst informativen Aufschluß zu den ideen- und institutionsgeschichtlichen
Voraussetzungen der Ruta Quetzal. Ziele und Inhalte des pädagogischen
Milieus werden vorgestellt und die Vorläufer der Expeditionen zwischen
1985 bis 1991 erwähnt. Im Teilkapitel 3 werden die einzelnen Expeditionsrouten
zwischen 1993 und 2000 in einem deskriptiven Aufriß zusammengestellt,
um Einheit und Vielfalt der pädagogischen Angebote dokumentieren
zu können. Im darauf folgenden Teilkapitel 4 werden die Bewerbungsmodalitäten
für die Bildungsreisen geschildert und vielfältige Auskünfte
über die Profilierung sowie Zusammensetzung der Expeditionen gegeben.
Informationen über die konzeptionelle Gliederung, Planung und Organisation
dieses aufwendigen Vorgehens werden durch ein Interview mit Vincente
Gómez Encinas vorgestellt, der für diesen Teil der Ruta
Quetzal Verantwortung trägt. Im anschließenden Kapitel 5
kommen Meinungen, Haltungen, Einsichten und Erfahrungen von Expeditionsteilnehmern
zur Sprache, die die Autoren in Form von Interviews zusammengetragen
haben. Eine kurze Problembeschreibung der durchgeführten Expeditionen
mit Erziehungsanspruch geben dem Teilkapitel 6 seinen Inhalt. Auf der
Basis von 400 Jugendlichen aus 35 Ländern wird hierbei die Problem-
und Problemlösungsperspektive anschaulich und konkret illustriert
und vielfältige Bezüge zur Spezifik des erlebnispädagogischen
Angebots hergestellt. Besonders im Teilkapitel 7 erhält die Gesamtdarstellung
einen authentischen Zuschnitt, da die Autoren ihre persönlichen
Teilnehmererlebnisse aus der Expedition ausbreiten, die im Jahre 2000
durchgeführt wurde. Ihre bis hierhin rekonstruierten Sichten und
reflektierten Annahmen finden damit eine schlüssige Konkretion
und Ergänzung. Der Versuch dann, die erlebnispädagogische
Fundierung dieses Erziehungsmilieus vorzunehmen, wird im Teilkapitel
8 überzeugend unternommen. Konsensuale Auffassungen zur erlebnispädagogischen
Begrifflichkeit im deutschsprachigen Raum werden der Wirklichkeit der
Ruta Quetzal unterlegt und ein anregungsreicher Katalog erlebnispädagogischen
Handelns thematisiert. Die Synthesekonzeption der Untersuchung wird
mit den Schlußbetrachtungen im Teilkapitel 9 sowie einem Interview
mit dem Leiter Miguel de la Quadra-Salcedo in Teilkapitel 10 anspruchsvoll
expliziert und die Gesamtdarstellung damit auch angemessen vollendet.
Besonders bemerkenswert, für die erlebnispädagogische Praxis
folgenreich, mit Blick auf die Beurteilung der Untersuchung für
den Outward Bound-Preis und im Vergleich zu anderen Arbeiten, sind die
Ergebnisse im Teilkapitel 8. Hier stellen die Autoren alternative Lerndimensionen
und pädagogisch-programmatische Eckpunkte der Ruta Quetzal heraus,
die der Outward Bound-Konzeption im besonderen und der modernen Erlebnispädagogik
im allgemeinen entsprechen. Sie haben mit programmatischen Selbstbehauptungen
wenig gemeinsam, da sie die authentischen Erfahrungen der Beteiligten
sowie ihre Gewohnheiten pädagogischen Handelns widergeben. Das
sie darüber hinausgehend dem Expeditionscharakter adäquat
entsprechen und sich aus der vorgelegten Untersuchung im Hinblick auf
ein nunmehr traditionsreiches Gesamtgeschehen ergeben, kann auf ihrer
Grundlage zu einer objektivierenden Beurteilung gelangt werden.
Zu diesen Beurteilungsaspekten, die einerseits die programmatisch-affirmativen
Konzeptionalisierungen der vorgelegten Untersuchung betreffen und gleichsam
die gelebte erlebnispädagogische Praxis reflektieren, gehören
folgende:
Die Projekte "Ruta Quetzal" im wechselseitigen Beziehungskontext
ihrer erlebnispädagogischen Maximen und Ergebnisse pädagogischen
Handelns
- Erlebnis / Abenteuer - psycho-motivationaler Begründungsrahmen
Die pädagogische Verwendung von direktem Erlebnis und Abenteuer fördert
die Akzeptanz und Attraktivität des Projektes, die Motivation des
Lernenden und damit die gewünschte Auseinandersetzung mit sich
selber, den anderen, mit Natur und Kultur.
- Erlebnis / Erfahrung / Erkenntnis - Erfahrungslernen
Von der Erlebnispädagogik
wird erwartet, daß ein intensives Erlebnis eine affektive Zuwendung
des Lernenden provoziert. Mehrere verarbeitete Erlebnisse ergeben den
sogenannten Erfahrungsschatz, aus dem wiederum durch Reflexion Erkenntnisse
abgeleitet werden können. Hier wird der erkenntnis- sowie erlebnisbezogene
Kontext des Erfahrungslernens expliziert und auf ein handlungsorientiertes
Geschehen zurückgeführt.
- Authentizität - handlungsechte Lernsituationen
Die Erziehungs- wie auch Bildungsziele sollen sich so echt wie möglich präsentieren.
- Persönlichkeitsbildung - Charaktererziehung
Durch die Auseinandersetzung
und Bewährung mit dem herausforderndem Neuen, Unbekannten soll
ein Reife- und Selbsterkenntnisprozeß in Gang gesetzt werden,
der zu mehr Autonomie, Lebenskompetenz und Souveränität führt.
- Gruppendynamik - soziale Lernsituationen
Sie wird durch das intensive Zusammenleben, aber auch nicht unwesentlich durch das direkte Erlebnis,
das Unbekannte und das Abenteuer beeinflußt. Die eigene Gruppe,
und sei sie noch so heterogen, bietet sich als Zufluchtsort an, der
Schutz suggeriert.
- Erziehungsziele - normativer Lernkontext
Durch die bewußte heterogene Gruppenkonstellation und den erwähnten Charakter der Reise werden
Werte wie Verständnis, Toleranz, Respekt, Engagement, Kooperation,
Eigenverantwortung, Selbstüberwindung, Selbsterkenntnis und Selbstdisziplin
wichtig.
- Studienreise - Institutionalisierung komplexer Lernziele
Die Ruta Quetzal möchte bilden und erziehen. Durch die direkte Auseinandersetzung
wird ein ökologisches, interkulturelles und soziales Verständnis
vertieft.
- Gesellschaftskritik - kompensatorisches und alternatives Angebot
Ähnlich wie viele Reform- und Erlebnispädagogen kommt das
Konzept der Ruta Quetzal durch eine kritische Gesellschaftshaltung zustande.
Die moderne Gesellschaft mit urbanen Lebensstilen bietet zu viele funktionale
Zwänge und zu wenig Raum für Selbstgestaltung im Sinne von
Persönlichkeitsbildung. Die Ruta Quetzal möchte hier Ergänzung
und Gegenpol zum allgemeinen Erziehungssystem sein.
- Ganzheitlichkeit - der Lernende als bio-psycho-soziale Einheit
Erleben und Lernen mit Kopf, Herz und Hand steht bei der Ruta Quetzal, wie auch
bei der Erlebnispädagogik, im Vordergrund.
- Bewerbungskriterien - Einheit von Vorbereitung und Durchführung
Durch das Einreichen einer künstlerischen Arbeit werden Kreativität,
die kulturelle Auseinandersetzung mit einem konkreten Thema sowie selbständiges
Arbeiten gefördert. Es ist Teilnahmevoraussetzung an der Studienreise.
- Körper- und Sinneserfahrungen - Erfahrungslernen im persönlichen Wahrnehmungskontext
Die Erfahrungsmöglichkeiten erfolgen direkt
über den Sportunterricht, über handwerkliche Tätigkeiten
oder als strapaziöse Fortbewegung zu Land und zu Wasser. Sie können
aber auch als elementare Umwelterfahrung in Form von Hitze, Kälte,
Feuchtigkeit, Trockenheit oder als taktile und akustische Reize, sowie
Geruchswahrnehmung erlebt werden.
- Situationsbezogene Pädagogik - offene und variante Lernsituationen
Die aus der heterogenen Struktur (ca. 400 Jugendliche aus ca. 40 Ländern)
resultierenden Schwierigkeiten der Ruta Quetzla werden durch die Eigendynamik
der herausfordernden Situationen gemildert. Das bedeutet, daß
eine konkrete Abenteuersituation Aufmerksamkeit zentriert, Überzeugungskraft
und Motivation beinhaltet, Gruppenressourcen bündelt sowie Einsichtsfähigkeit
und Konsens erhöht.
- Hohe Motivationscharakter - verfremdetes und authentisches Lernen
Die Ruta Quetzal bietet dem Teilnehmer ein einmaliges Erlebnis mit hohem
materiellen und ideellen Wert, das er so nicht in seiner Alltagswelt
vorfindet.
- Menschenbild- humanistische Menschenbildkonzeption
Das Konzept der Ruta Quetzal stellt sich idealistisch, lebensbejahend und pazifistisch
dar. Dabei soll eine Werteerziehung, Persönlichkeitsbildung und
Wissenstransfer stattfinden.
- Ökologie - Förderung ökologischen Bewußtseins
Der ökologische Bildungsanspruch soll durch konkrete Unterrichtsziele,
z.T. durch die Reiseziele selber sowie durch die Form des Reisens umgesetzt
werden.
- Interkulturalität - interkulturelles, transnationales Lernen
Convivencia, also das Zusammenleben der Jugendlichen aus bis zu 42 Ländern steht
im Vordergrund. Die Verständigungssprache ist dabei Spanisch. Mögliche
Konflikte werden in den Kleingruppen mit ihren Gruppenleitern oder mit
den Organisatoren besprochen.
- Künstlerisch-kreative Auseinandersetzung - ästhetische, indoor- und outdoor-bezogene Sozialisation
Hiermit sind die erwähnten
Bewerbungskriterien, das Mitgestalten der Jugendlichen in den workshops
und der kreative Umgang mit knappen Ressourcen beim Freiluftleben gemeint.
Sie geben wichtige Erziehungsimpulse und Orientierungen vor.
- Ehrfurcht vor dem Leben und anderen Lebensformen - spirituell-humanistische Grundkonzeption
Dieses Grundprinzip aller reformpädagogischen Bewegungen
wird bei der Ruta Quetzal durch den Charakter der Studienreise, durch
das interkulturelle Zusammenleben und durch die respektvolle Auseinandersetzung
mit anderen Kulturen und deren Gewohnheiten angestrebt.
- Outward Bound-Orientierung - Bezug zur Erlebnistherapie
Sportliche Betätigung, projektorientierte workshops, der Expeditionscharakter
der Studienreise und verschiedene Dienste an der Gemeinschaft weisen
eine inhaltlich enge Beziehung zu den Elementen der Erlebnistherapie
auf. Im Vordergrund steht der Expeditionsgedanke, der selbstbestimmtes
Lernen, soziale Interaktionen und natursportliche Initiativen nicht
nur zuläßt, sondern von jedem Teilnehmer fordert. Das Freiluftleben,
die Segelaktivitäten und alle praktisch-handwerklichen Tätigkeiten,
die der Selbstversorgung dienen, ordnen sich den Prinzipien geteilter
Verantwortung und gemeinsamer Zuständigkeit unter.
- Modernitätsverständnis - Beitrag zu einer zukunftsorientierten
und modernitätskritischen Entwicklung handlungs- und erlebnnisorientierter
Erziehung
Das spezielle Konzept und der Charakter der gelebten Praxis
zeigen, wie Ziele, Inhalte und Methoden der Pädagogik Kurt Hahns
zukunftsorientiert gestaltet werden können.
Die analytische Zusammenstellung programmatischer Eckpunkte der Ruta
Quetzal, diese 20 Aspekte ihrer konzeptionellen Erwartungen und in der
Praxis reflektierten Erfahrungen, läßt pädagogische
Komplexität und interkulturelle Vielfalt erkennen.
Wer sich hier zu einer mehrwöchigen Expedition trifft, riskiert
sich psychisch, provoziert seine Alltagsroutinen, ist neugierig auf
andere Menschen, Kulturen und Rollen, läßt sich von einem
in gewisser Weise domestizierten Abenteuer verlocken, das auf pädagogische
Ziele verpflichtet bleibt. Die verfremdeten Lernsituationen, die handlungsechten
Bezüge in der Gruppe oder die Erziehungsmaxime, die von Erfahrungen
aus dem Lerngegenstand selbst ausgeht, meinen direkt jene Signaturen,
die sich auf die Ästhetik einer zukünftigen Jugendkultur zurückführen
lassen.
Dieses geschilderte Inbeziehungtreten zwischen Erlebnispädagogik
und interkultureller Erziehung ist das besondere Verdienst der vorgelegten
Untersuchung und der Ruta Quetzal. Sie zeigen auf, daß das "Dienstsegment"
in der Erlebnistherapie Kurt Hahns heute vielfältigen und aufschlußreichen
Modifikationen unterliegen kann, ohne den Zuschnitt der Outward Bound-Konzeption
als Ganzes in Frage zu stellen. Das gilt sowohl für die services
to community wie für die environmental services.
In der Gesamtbetrachtung dieses herausragenden Befundes zur Wirklichkeit
und Wirksamkeit handlungs- und erlebnisorientierter Kurzzeitpädagogik
und mit Blick auf den nachvollziehbaren Bezug dieser interkulturell-ökologischen
Erziehungsinitiative zur Outward Bound-Philosophie, ist den Autoren
Dirk Nasser und Michèle Lohmar für die Vorlage ihrer Untersuchung
im IEP Lüneburg herzlich zu danken.
Die Berücksichtigung der Untersuchung bei der Preisvergabe des
Outward Bound-Preises für das Jahr 2001 und die Prämierung
der Ruta Quetzal als handlungs- und erlebnisorientiertes Projekt interkultureller
Erziehungsarbeit war daher zu empfehlen.
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