Institut für Elebnispädagogik
Die Preisträger des Paul-Gauselmann-Preises 2006-2008
I.
Preisträger des Paul-Gauselmann-Preises 2006
Bau- und Geschichtsspielplatz Roter Hahn e.V. (Lübeck)

für den

Bau eines wikingerzeitlichen Langhauses auf dem Bau- und Geschichtsspielplatz Roter Hahn in Lübeck


Der Bau- und Geschichtsspielplatz Roter Hahn (Lübeck) hat sich seit seiner Gründung (1998) erlebnispädagogischen Vorhaben permanent gewidmet. Seit 1999 ist der gemeinnützige Verein als Träger des Bauspielplatzes im Bereich der Offenen Kinder- und Jugendarbeit der Hansestadt Lübeck tätig und bietet seitdem fortlaufend erlebnispädagogisch orientierte Angebote für Kinder und Jugendliche an. Konzeptionell sind ebenfalls die Menschen des Stadtteils Roter Hahn in das Leben des Bau- und Geschichtsspielplatzes – z.B. durch das Café Hahn eingebunden, welches immer am letzten Freitag im Monat auf dem Bauspielplatz geöffnet hat, – eingebunden. Die Tätigkeiten auf dem Bau- und Geschichtsspielplatz wurden kontinuierlich wissenschaftlich – u.a. durch das „AGIL-Büro für angewandte Archäologie“, das Archäologische Institut der Universität Hamburg und das Institut für Erlebnispädagogik e.V. an der Universität Lüneburg – begleitet. Die Arbeit des Teams des Bau- und Geschichtsspielplatzes Roter Hahn wurde durch zahlreiche Publikationen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften („Offene Spielräume“, „Starke Pferde“ & „Zeitschrift für Erlebnispädagogik“) dokumentiert und einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht.

Der Bau- und Geschichtsspielplatz Roter Hahn hat mit dem Projekt „Bau eines wikingerzeitgerechten Langhauses“ eine Thematik aus der eigenen und fremden Geschichte handlungs- und erlebnisorientiert aufgegriffen und praktisch umgesetzt. Ziel dieses Projektes war es, Kindern, Jugendlichen, aber auch Erwachsenen ein historisches Bewusstsein mit ausgeprägten regionalen Bezügen zu vermitteln. Dieses Vorhaben wurde aus Sicht der Jury mehr als erfolgreich umgesetzt. Zu betonen sind dabei die unterschiedlichen Dimensionen, die mit diesem Vorhaben verknüpft waren, so zum Beispiel auf ökologischer, ökonomischer und sozialer Ebene. Die Rekonstruktion eines wikingerzeitgerechten Langhauses wird nicht als ein einmaliges Projektvorhaben verstanden, sondern vielmehr als ein Teilprojekt der Gesamtkonzeption des Bau- und Geschichtsspielplatzes Roter Hahn. Das nächste Projekt ist in Arbeit: Bau einer mittelalterlichen Klosteranlage. Nach dem Motto „Stillstand ist Rückschritt“ wird damit die Zukunftsorientiertheit des Bau- und Geschichtsspielplatzes Roter Hahn einmal mehr unterstrichen.

Der Bau- und Geschichtsspielplatz Roter Hahn (Lübeck) erhält von der Jury den „Paul-Gauselmann-Preis 2006“ für die Errichtung des wikingerzeitgerechten Langhauses zugesprochen. Zudem wird mit diesem Preis die bundesweit einmalige konzeptionelle Ausrichtung dieser Institution gewürdigt, in der die Offene Kinder- und Jugendarbeit mit bildungs- und erlebnispädagogischen Elementen einerseits und Inhalten der experimentellen Archäologie andererseits verbunden wird.

Die Hansestadt Lübeck als bürgernahe Kommune sollte es freuen, eine solche „Institution mit Bürgersinn“ innerhalb ihrer Mauern beheimatet zu wissen.
II.
Preisträger des Paul-Gauselmann-Preises 2007
1. „Pfad ins Leben gGmbH“ (Erfurt)

für

„Wolgatreidler“ – Ein internationales Jugendhilfeprojekt


Die „Pfad ins Leben gGmbH“ mit ihren Wurzeln in der Pfadfinderbewegung ist seit ihrer Gründung bestrebt, ihre Ressourcen im Bereich der Erlebnispädagogik und des interkulturellen Lernens in die Erziehungshilfe einzubringen und so auch benachteiligten Kindern und Jugendlichen zugänglich zu machen. Das Engagement des Trägers in der Qualitätssicherung von erlebnispädagogischen Auslandsprojekten spiegelt sich auch bei der Präsenz an der öffentlichen Diskussion [von der „Zeitschrift für Erlebnispädagogik“ (Lüneburg) bis zum Nachrichtenmagazin „DER SPIEGEL“ (Hamburg)] wider. 2004 startete das vom Programm „JUGEND“ der Europäischen Union finanzierte Langzeitprojekt „Erlebnispädagogik in der Erziehungshilfe“, in dessen Rahmen die Verankerung von erlebnispädagogischen Ansätzen in der stationären Betreuung von Kindern und Jugendlichen europaweit gestärkt werden soll.

Mit der internationalen Jugendbegegnung „Wolgatreidler“ als Teil dieses Langzeitpro¬gramms wurde 60 Jugendlichen aus Heimeinrichtungen Deutschlands, Österreichs, Russlands und Weißrusslands die Möglichkeit geboten, eine andere Kultur, eine andere Art der Feriengestaltung und Jugendliche aus anderen Ländern mit ähnlichen Biografien kennen zu lernen. Zusammen mit den Partnern „Rettet das Kind“ aus Österreich, „Kinderheim Slutsk“ aus Weißrussland und „Kinderheim Omsk Nr. 5“ aus Russland wurde die Aktion vorbereitet, konnten gemeinsame pädagogische Ziele formuliert und der Transferprozess geplant werden.

Für drei Wochen vertauschten die jungen Menschen die gewohnte Tagesstruktur ihres Alltags mit dem Platz auf dem „Katamaran“, selbstgebauten Zweirumpfflößen. Die Wol-ga als klassisches Outdoorsetting stellte jeden Tag neue Anforderungen an die ge-mischten Teams; entsprechend dem Charakter einer solchen Fahrt wusste man selten vorher, wo abends das Zeltlager steht. Es musste viel improvisiert werden. Dabei lernten die Teilnehmer über das praktische Tun viel Neues über ihre (unerkannten) Fähigkeiten.

Obwohl diese Jugendlichen in ihren Einrichtungen als „schwererziehbar“ gelten, gab es aufgrund des erlebnispädagogischen Ansatzes des Projektes und der Professionalität der Vorbereitung und Begleitung keinen der bei der Zielgruppe normalerweise zu erwartenden Zwischenfälle. Im Gegenteil, die Jugendlichen lernten sich von einer völlig neuen Seite kennen. Ihr bisheriges Wertesystem wurde im Laufe der Reise teilweise neu strukturiert. Mit neuen Freunden und Erfahrungen kehrten alle Teilnehmer in ihre Einrichtungen zurück, um dort als Multiplikatoren andere für ähnliche Projekte zu motivieren.

Im Rahmen des Langzeitprogramms soll als nächster Schritt eine wissenschaftliche Fachkonferenz die Möglichkeiten der Erlebnispädagogik in der Heimerziehung und Ein-zelbetreuung erörtern und europaweit nutzbar machen.

Die „Pfad ins Leben gGmbH“ erhält den „Paul Gauselmann-Preis 2007“ für die internationale Jugendbegegnung „Wolgatreidler“ im Rahmen des Gesamtprojektes „Erlebnispädagogik in der Erziehungshilfe“, welches die Erlebnispädagogik mit ihren spezifischen Ressourcen für besonders benachteiligte Gruppen von Kindern und Jugendlichen in stationären Erziehungshilfeeinrichtungen nutzbar machen soll.

Beeindruckend war für die Jury, dass dieses Projekt von der „Pfad ins Leben gGmbH“ und dem engagierten Initiator Frank Kröner, Erfurt, und seinem Team in eine Langzeit-Jugendhilfemaßnahme integriert wurde, bei der weitere erlebnispädagogisch begründete Aktionen praktische Relevanz besaßen.



2. Beruflichen Schulen für Recycling und Umwelttechnik – G8 (Hamburg)

für

„Solidarität macht Schule – Entwicklungshilfe auf Gegenseitigkeit“


Das Projekt „Solidarität macht Schule“ der Beruflichen Schule Recycling- und Umwelttechnik (G8 Hamburg) leistet seit 3 Jahren mit seiner „Entwicklungshilfe auf Gegenseitigkeit“ sowohl einen praktischen Beitrag zur Entwicklungshilfe in den Ländern Niger und Mali als auch in der Kompetenzentwicklung von benachteiligten Jugendlichen. Im Frühjahr 2006 wurde eine Dorfschule in Kannaré / Niger komplett saniert und der Brunnen mit einer Wasserpumpe ausgestattet.

Bei den Projektteilnehmern handelt es sich um Schüler des Berufsvorbereitungsjahres „Lernwerkstatt – Holzwerkstatt“ der Gewerbeschule 8 sowie um 2 Schüler der Berufsfachschule. In diesem Bildungsgang ist neben der fachlichen Vorbereitung auf das Berufsleben die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler von elementarer Bedeutung. Des-halb ist ein ganzheitliches Unterrichtskonzept unumgänglich, mit dessen Hilfe die Schüler den Unterricht sowohl für sich persönlich als auch für die soziale Gemeinschaft als eine sinnvolle Förderung begreifen. Ausgangspunkt dafür ist das Holzrecycling alter Schultische aus Hamburger Schulen, aus denen die Schüler hochwertige Verkaufsobjekte herstellen, die sie auf Kunsthandwerkermärkten verkaufen. Der Erlös dient zur Finanzierung des Eigenanteils des Projektes „Solidarität macht Schule“. Der besondere pädagogische Gehalt dieses Projektes besteht in der aktiven Umsetzung der geplanten Entwicklungshilfe vor Ort durch die Schüler. Der Schulunterricht wird so mit einer erlebnispädagogischen Dimension angereichert, durch die erst eine tief greifende und nachhaltige Persönlichkeitsentwicklung realisiert werden kann. Die Lebens- und Arbeitsbedingungen im jeweiligen Land sind durch das Fehlen der gewohnten Infrastrukturen (z.B. asphaltierte Straßen, fließendes Trinkwasser, Strom, Einkaufsmöglichkeiten) sowie durch extreme klimatische Bedingungen charakterisiert. Dazu kommt eine völlig ungewohnte soziale Umgebung hinsichtlich Sprache, Kultur, Religion, Hautfarbe und Verhaltensnormen. Jahr für Jahr leisten die Schüler Unglaubliches, seien es die körperlichen Anstrengungen auf den Baustellen, die erfolgreichen Konfliktlösungen innerhalb der Gruppe, das Verarbeiten persönlicher Problemlagen wie z.B. Heimweh oder aber das reibungslose Zusammenarbeiten und -leben mit der Dorfbevölkerung. Sichtbarer Ausdruck dieses Engagements war stets das erreichte Ziel, d.h. eine sanierte Schule bzw. ein modernisierter Brunnen. Während des meist sechswöchigen Aufenthaltes im jeweiligen Gastland können die Begleitpersonen sowohl kollektive als auch individuelle Entwicklungsprozesse beobachten, die auch den späteren Schulalltag in Hamburg prägen: die Bereitschaft, für sich und andere Verantwortung zu übernehmen und etwas zu tun, das nicht nur dem eigenen Nutzen dient, steigt genauso wie die Konflikt- und Frustrationstoleranz. Die durch das Projekt „Solidarität macht Schule“ gewonnenen Sozialkompetenzen zielen unmittelbar ins Zentrum des schulischen Erziehungs- und Bildungsauftrages für das Berufsvorbereitungsjahr (BVJ): der darauf zielt, die „Bereitschaft zur Toleranz, Gerechtigkeit und Solidarität“ soll gestärkt werden wie auch die „Fähigkeit, das eigene Wohlbefinden und das anderer Menschen zu wahren. „Ferner gilt es, die Kommunikations- und die Konfliktfähigkeit gleichermaßen wie die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft zu entwickeln. Nicht zuletzt sollen aber auch die Fähigkeiten zur Selbständigkeit, Urteilsbildung und Entscheidungsverantwortlichkeit gestärkt werden.

Das Projekt „Solidarität macht Schule“ hat in diesem Sinne bereits Großartiges geleistet. Diese „etwas andere Form der Entwicklungshilfe“ führte dazu, dass sowohl die deutschen als auch die nigrischen Schüler vom Projekt profitierten.

Beeindruckend war für die Jury, dass diese Arbeit von der Beruflichen Schule Recycling und Umwelttechnik und der engagierten Initiatorin Dolores Rescheleit und ihrem Team fortgesetzt wird, keine einmalige erlebnispädagogisch begründete Aktion darstellt.
III.
Preisträger des Paul-Gauselmann-Preises 2008
„Bewegtes Leben – Lüneburg“ (Lüneburg)

für die

kontinuierliche Früherziehung und Kinderarbeit nach erlebnispädagogischen und psychomotorischen Gesichtspunkten


Die Projektgruppe „Bewegtes Leben – Lüneburg“ hat sich seit ihrer Gründung (2004) permanent erlebnispädagogischen Vorhaben gewidmet und bietet seitdem fortlaufend erlebnispädagogisch orientierte Angebote für Kinder, Jugendliche & junge Erwachsene an. Seit ihrer Gründung hat die studentische Initiative „Bewegtes Leben – Lüneburg“ regelmäßig Fachleute aus den Bereichen der Psychomotorik und Bewegungserziehung in die praktische Arbeit eingebunden. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass alle Mitglieder dieser Gruppe ehrenamtlich und hoch motiviert ihre Ziele und Aufgaben engagiert verfolgen.

Zentrales Anliegen der Mitglieder von „Bewegtes Leben – Lüneburg“ ist die Frühförderung von Kindern bei deren Persönlichkeitsentwicklung. Um Mädchen und Jungen Ent-wicklungsfreiräume zu eröffnen, werden sie mit herausfordernden Programmen aktiviert. Dem pädagogischen Konzept liegt ein humanistisches Menschenbild zugrunde: Kinder und Jugendliche sollen zu „Akteuren ihrer eigenen Entwicklung“ (Jean Piaget) werden.

Die Philosophie von „Bewegtes Lebens – Lüneburg“ basiert auf folgenden Leitideen:
  • Mädchen und Jungen sollen in ihrer individuellen Persönlichkeitsentwicklung gefördert werden. Sie sollen an ihren Stärken, nicht an ihren Schwächen bemessen werden.
  • Alle Kinder sind willkommen ! – Integration ist daher ein Kernanliegen.
  • Wertschätzung ist lernbar, wenn Vielfältigkeit gelebt und bestätigend erlebt wird.“

Das Team von „Bewegtes Leben – Lüneburg“ ist in den letzten vier Jahren in verschieden Bereichen pädagogisch aktiv geworden: Der Fokus liegt nach wie vor auf der praktischen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen & jungen Erwachsenen; parallel dazu erfolgte kontinuierlich die theoretische Vergewisserung.

Das Pilot-Projekt (Anfang 2005) bestand in der Planung und einer gut dokumentierten Durchführung einer „Dschungelexpedition“ für Kindergartenkinder. Inzwischen werden ca. 300 Kinder regelmäßig betreut (weitere 150 Kinder stehen auf der Warteliste). Die aktuellen erlebnisorientierten Angebote lassen sich in folgende vier Bereiche differenzieren:

I. Projekte für Kinder und Jugendliche,
II. Lehrveranstaltungen für Studierende,
III. Weiterbildungsmaßnahmen für Erzieher/Innen und Lehrer/Innen sowie
IV. Spezifische Angebote bei diversen Bildungsträgern.

Die studentische Initiative „Bewegtes Leben – Lüneburg“ erhält den „Paul Gauselmann-Preis 2008“ für die seit 2004 kontinuierlich durchgeführten erlebnispädagogischen und psychomotorischen Aktivitäten, also für eine langfristig angelegt und erzieherisch innovative Arbeit mit Integrationsabsicht.